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1962 625
rin, wie eine Sybille des Michelangelo, mit einer Stimme, die gleich
einem dunklen Raubvogel in den Lüften schwebt. Ein überlebens-
655 großesMaßderGestaltung,gepaartmitdieserdämonischenStimme,
gibt ihrenFigurendieWirkung,wiesievonderantikenTragödiezu
denken ist – und ruft den schon Weltverlorenen zurück von Gren-
zen gefährlicher Todesnähe. Und obwohl er »äußerlich in einem
rechten Durcheinander lebt, das er nicht ändern kann und nicht
660 ändernmöchte«,gibt ihmdiepersönlicheBegegnungmitderbedeu-
tenden Frau ein Gefühl frohester innerer Genesung, und der bis
dahin in tiefer Einsamkeit gelebt hat, sieht sich endlich dem einzi-
gen Wesen gegenüber, das ihn je aufzuschließen imstande war und
demer sich für immer verbindet.
665 Die tiefste Erfahrung, die Menschen zwischen Werden und Verge-
hendurchzumachenhaben–derunlösbareRestvonFremdheitauf
demGrundeallerBeziehungen–istdasewigeProblemderFreunde.
Segen und Schauer der Einsamkeit, das leidenschaftliche Sehnen,
sich losgebundenzuverströmenindieWeltunddochwiederRück-
670 stoßundFluchtinseigeneInnere,diesistderKreislauf,derdieMitte
ihresgeistigenErlebenswieeinZauberringumschließt.
Voll Staunen, wie nach unerreichbar ferner Sphäre, sieht Claudio,
derTor, hinüberzu jenen,die im Talewohnen.
»JetztzündensiedieLichter anundhaben
675 InengenWändeneine dumpfeWelt...
Sie sindeinanderherzlichnah
Undhärmensichumeinen,derentfernt;
Undwennwohl einem Leidgeschah.
So tröstensie ... ichhabe Tröstenniegelernt.
680 Siekönnensich miteinfachenWorten
WasnötigzumWeinenundLachensagen.i
Müssennichtan siebenvernageltePforten
MitblutigenFingernschlagen.«
In seinem beiläufigen Ton und mit kühlem Spott sagt Herr von
685 Sala, jede tiefere Bindung leugnend, zu Julian Fichtner: »Wir brin-
geneinanderdieStichwortesogeschickt,–findenSienicht?Esgibt
pathetische Leute, die solche Beziehungen Freundschaft nennen.
Übrigensistesnichtunmöglich,daßwirunsimvorigenJahrhundert
›du‹ gesagt, am Ende gar, daß Sie sich an meinem Busen ausgeweint
690 hätten...«
Hier ist ein Wissen um die Grenzen aller menschlichen Beziehung,
eine Erkenntnis, die sich auf leichtem Flügel über Abgründe voll
tiefer Trauer weghebt. Eine Täuschung, ein Verkennen der Distanz
von Seele zu Seele ist nicht mehr möglich. Das Gespräch, schönste
695 BestätigungallerNähe, isteineschwankendeBrückegeworden,auf
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916