Seite - 627 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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1962 627
740 – das blutgierig lauernde Volk von Paris, wenige Stunden vor der
Erstürmung der Bastille – das Traben der Rosse, immer nur das
TrabendestodgeweihtenRegimentsvordenFensterndessehnsüch-
tigen Mädchens, das verzweifelt den Geliebten unter den Todge-
weihten und sich selbst an einen bösen alten Vater gefesselt weiß –
745 das sind die Situationen in Schnitzlers Dichtung, die Hintergründe,
vordenenSiegoderUnterliegendeslockendenLebenssichentschei-
den.DerAbenteurerHofmannsthalsimtänzerischleichtenSpielum
Gold und Genuß – gejagt von seiner Gier und selber ihre Beute –
ein Gleiten, und er weiß: der nächste Schritt heißt Tod. Ein Klop-
750 fen an der Tür, und er schreit auf: »So ist’s der Messer Grande und
meinTod!«–zujederZeitdesÄußerstengewärtig.DerGegenspie-
lerTodistüberall,anjedemWegrandlauerter,denPreiszufordern.
Läßt das Bewußtsein seiner Gegenwart nicht alle Farben feuriger
aufglühen,denschönenAugenblicknurumsosüßeraufderZunge
755 schmelzen,weil esder letztegewesenseinkann?
»UndgibteseinenanständigenMenschen,der in irgendeinerguten
Stunde nicht an ihn denkt?« sagt Herr von Sala. Dem heldischen
Herzog Bentivoglio1 glüht der Moment nur um so köstlicher auf;
densichernTodvorAugen,weißer:i
760 »DasLeben istdieFülle,nichtdieZeit,–
UndnochdernächsteAugenblick istweit!«
Die Fülle ... Es ausschlürfen können, bis es alle seine Süße herge-
geben hat, wie eine üppig reife Traube, die trunken macht – das
allein kann mit dem Tod versöhnen. Nichts versäumt haben, nicht
765 alle tiefste Lust und nicht die herbste Qual, das ist es, was auf alle
Straßen treibt, das läßt die Begierde nicht ruhen – und wie sehr ist
sie der Neugierde schwesterlich verwandt – das ist die Fanfare auf
der Jagd nach dem nie erhörten Erlebnis – und um wie viel mehr
istesdasLauschennachdemEcho,dasdurchdieeigeneSeelezieht,
770 derNachklangausdemweitenLandderSeele,darinsovielesRaum
hat: Liebe und Treulosigkeit, Leidenschaft und Kälte, Wahrheits-
triebundLüge,allesHoheundNiederedichtbeieinander,sonderbar
gekoppelt.
>»Der Mensch ist weit, allzu weit, man sollte ihn enger machen«,
775 diesWortdesDmitrijKaramasowstößtBahrzueinerZeitblitzhaft
entgegen,daesihnschongemahnt,»ausderUnendlichkeitderWelt
in bergende Enge« zu flüchten. Maß und Bändigung kommen spät,
1 »DerSchleierderBeatrice«
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
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- 1910 433
- 1911 447
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- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
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