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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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eine junge Frau, in ihrem Haar blinkt der Schmuck. Ein Blick weht rasch vorüber. Sie ist verführerisch und schön, ein Symbol des Genusses. Und alle Helden Balzacs haben in diesem Augenblicke nur einen Wunsch: Mir diese Frau, der Wagen, die Diener, der Reichtum, Paris, die Welt! Das Beispiel Napoleons, daß alle Macht auch für den Geringsten feil sei, hat sie verdorben. Nicht wie ihre Väter in der Provinz ringen sie um einen Weinberg, um eine Präfektur, um eine Erbschaft, sondern um Symbole schon, um die Macht, um den Aufstieg in jenen Lichtkreis, wo die Liliensonne des Königtums glänzt und das Geld wie Wasser durch die Finger rinnt. So werden sie ja jene großen Ehrgeizigen, denen Balzac stärkere Muskeln, wildere Beredsamkeit, energischere Triebe, ein wenn auch rascheres, so doch lebendigeres Leben zuschreibt, als den anderen. Sie sind Menschen, deren Träume Taten werden, Dichter, wie er sagt, die in der Materie des Lebens dichten. Zwiefach in ihrer Angriffsweise, ein besonderer Weg bahnt sich dem Genie, ein anderer dem gewöhnlichen. Man muß sich eine eigene Weise finden, um zur Macht zu gelangen, oder man muß die der anderen, die Methode der Gesellschaft erlernen. Als Kanonenkugel muß man mörderisch hineinschmettern in die Menge der anderen, die zwischen einem und dem Ziele stehen, oder man muß sie schleichend vergiften wie die Pest, rät Vautrin, der Anarchist, die grandiose Lieblingsfigur Balzacs. Im Quartier Latin, wo Balzac selbst in enger Stube begonnen hat, treten auch seine Helden zusammen, die Urformen des sozialen Lebens, Desplein, der Student der Medizin, Rastignac, der Streber, Louis Lambert, der Philosoph, Bridau, der Maler, Rubempré, der Journalist – ein Cénacle junger Menschen, die ungeformte Elemente sind, reine, rudimentäre Charaktere, aber doch: das ganze Leben gruppiert um eine Tischplatte in der sagenhaften Pension Vauquer. Dann aber, hineingegossen in die große Retorte des Lebens, eingekocht in die Hitze der Leidenschaften, und wieder erkaltend, erstarrend an den Enttäuschungen, unterworfen den vielfachen Wirkungen der gesellschaftlichen Natur, den mechanischen Reibungen, den magnetischen Anziehungen, den chemischen Zersetzungen, den molekularen Zerlegungen, bilden sich diese Menschen um, verlieren sie ihr wahres Wesen. Die furchtbare Säure, die Paris heißt, löst die einen auf, zerfrißt sie, scheidet sie aus, läßt sie verschwinden und kristallisiert, verhärtet, versteint wiederum die anderen. Alle Wirkungen der Wandlung, Färbung und Vereinung vollziehen sich an ihnen, aus den vereinten Elementen bilden sich neue Komplexe, und zehn Jahre später grüßen sich die Übergebliebenen, Umgeformten mit Augurenlächeln auf den Höhen des Lebens, Desplein, der berühmte Arzt, Rastignac, der Minister, Bridau, der große Maler, während Louis Lambert und Rubempré das Schwungrad zermalmend faßte. Nicht umsonst hat Balzac die Chemie geliebt, die Werke Cuviers, Lavoisiers studiert. Denn in diesem vielfältigen Prozeß der Aktionen und Reaktionen, der Affinitäten, der Abstoßungen und Anziehungen, Ausscheidungen und 12
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Title
Drei Meister
Subtitle
Balzac - Dickens - Dostojewski
Author
Stefan Zweig
Date
1920
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
134
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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