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Hymnus an den Zaren, der ihn unschuldig zum Tode verurteilt, in uns
unverstĂ€ndlicher Demut kĂŒĂt er immer wieder die Hand, die ihn zĂŒchtigt; wie
Lazarus noch fahl vom Sarge erstehend, ist er immer bereit, Zeugnis fĂŒr die
Schönheit des Lebens abzulegen, und aus seinem tÀglichen Sterben, aus
seinen KrÀmpfen und epileptischen Zuckungen, noch Schaum vor dem
Munde, rafft er sich auf, den Gott zu lobpreisen, der ihm diese PrĂŒfung
gesandt. Alles Leiden zeugt in seiner aufgetanen Seele neue Liebe zum
Leiden, unersÀttlichen, lechzenden flagellantischen Durst nach neuen
MÀrtyrerkronen. SchlÀgt ihn das Schicksal hart, so stöhnt er, blutend
zusammenstĂŒrzend, schon nach neuen SchlĂ€gen. Jeden Blitz, der ihn trifft,
fÀngt er auf und verwandelt, was ihn verbrennen sollte, in seelisches Feuer
und schöpferische Ekstase.
Gegen eine solche dÀmonische Verwandlungskraft des Erlebnisses verliert
das Ă€uĂere Schicksal gĂ€nzlich seine Herrschaft. Was Strafe und PrĂŒfung
scheint, wird dem Wissenden Hilfe, was den Menschen in die Knie stĂŒrzen
soll, richtet den Dichter erst eigentlich auf. Was einen SchwÀcheren zermalmt
hÀtte, stÀhlt diesem Ekstatiker nur die Kraft. Das Jahrhundert, das gern mit
Sinnbildern spielt, gibt eine Probe solcher Doppelwirkung gleichen
Erlebnisses. Einen anderen Dichter unserer Welt, Oscar Wilde, streift
Ă€hnlicher Blitz. Beide stĂŒrzen sie, Schriftsteller von Namen, Adelige von
Rang, eines Tages aus der bĂŒrgerlichen SphĂ€re ihrer Existenz ins Zuchthaus
hinab. Aber der Dichter Wilde wird in dieser PrĂŒfung zermalmt wie in einem
Mörser, der Dichter Dostojewski aus ihr erst geformt wie Erz in feurigem
Tiegel. Denn Wilde, der noch sozial empfindet, mit dem Ă€uĂeren Instinkt des
Gesellschaftsmenschen, fĂŒhlt sich geschĂ€ndet durch das bĂŒrgerliche
Brandmal, und das Furchtbarste an Erniedrigung wird ihm jenes Bad in
Reading Gaol, wo sein gepflegter Edelmannsleib in das von zehn anderen
StrĂ€flingen schon beschmutzte Wasser hinab muĂ. Eine ganz privilegierte
Klasse, die Kultur der Gentlemen, schauert in seinem Grauen vor der
physischen Vermengung mit dem Gemeinen. Dostojewski, der neue Mensch
ĂŒber allen StĂ€nden, brennt dieser Gemeinsamkeit entgegen mit
schicksalstrunkener Seele, zum Purgatorium seines Stolzes wird ihm das
gleiche schmutzige Bad. Und in der demĂŒtigen Hilfeleistung eines
schmierigen Tartaren erlebt er ekstatisch das christliche Mysterium der
FuĂwaschung. Wilde, in dem der Lord den Menschen ĂŒberlebt, leidet bei den
StrĂ€flingen unter der Furcht, sie möchten ihn fĂŒr ihresgleichen nehmen,
Dostojewski leidet nur so lange, als Diebe und Mörder ihm noch die
Bruderschaft verweigern, denn er fĂŒhlt jeden Abstand, jede Nicht-
Bruderschaft als Makel, als UnzulÀnglichkeit seiner Menschlichkeit. Wie
Kohle und Diamant gleiches Element, so ist dies Doppelschicksal eines und
doch ein anderes fĂŒr diese beiden Dichter. Wilde ist fertig, wie er aus dem
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Drei Meister
Balzac - Dickens - Dostojewski
- Title
- Drei Meister
- Subtitle
- Balzac - Dickens - Dostojewski
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1920
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 134
- Keywords
- Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Romain Rolland als Dank fĂŒr seine unerschĂŒtterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
- Balzac 7
- Dickens 29
- Dostojewski 50
- Einklang 51
- Das Antlitz 54
- Die Tragödie seines Lebens 56
- Sinn seines Schicksals 66
- Die Menschen Dostojewskis 77
- Realismus und Phantastik 90
- Architektur und Leidenschaft 103
- Der Ăberschreiter der Grenzen 113
- Die Gottesqual 121
- Vita Triumphatrix 131