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Tagebuch 1923
Draußen quält sich der Wind,
Wirft eine Schürze voll Äpfel ins Gras,
Die noch ganz unreif sind
–
Leer steht der Baum.
Hat nichts mehr zu verschwenden
–
Und kann sich nicht besinnen
Und trauern
–
Denn wieder und wieder
Streift ihn der Wind nieder.
Ich spielte mit innigen Händen
Um einen Traum.
Den wollt ich mir gewinnen
In den Tag hinein
–
Und bin ihm nachgehangen
Zu alten Stunden.
Wie lange mocht es dauern ?
Wie lange durft es sein ?
–
Augenblick
– Ewigkeit
–
Foulard
In Zauberei.
Dann mußte er verrinnen
–
Und war
Für immer vorbei.
Die Lichter sind verschwunden
–
Der Wind fiel über sie her
…
Nichts freut mich mehr
…
Es läppert sich der Stunden
Trostlose Litanei
…
Leer bin ich
– leer.
2. September
Gestern, ganz spät abends / wir waren schon alle im Bett / ist Therese gekommen.
Jetzt werde ich wieder freie Zeit haben. Vorher hatten wir mit Alf den August abge-
rechnet u. dann viel Spaß gehabt. Wenn wir so miteinander lachen, so muß ich immer
denken, was er für Bauchweh haben muß, wenn er ans Heiraten denkt. Meistens
ist er ja jetzt kein sehr angenehmer Gesellschafter in seiner erst hungrigen, dann
schläfrigen Nach-Coitusstimmung. Das wird aber nach d. Heirat nicht anders wer-
den, wenn er weiter bei uns wohnen bleibt. Abb. 18 : Josef Floch, Am See Genezareth,
Palästina-Mappe, 1923.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien