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Tagebuch 1923
Geld zu kommen). Dann Atelier Ehrlich, Hans sehr sehr froh über d. Bild, das er
gleich kaufte. Es ist auch wundervoll, der Rahmen u. vor allem d. Glas stehen ihm
auch sehr gut. Hans meint, daß er noch an d. Händen bisserl was auflockern soll.
Um 6h Sitzung der 10 Ehrlichinteressenten in d. Albertina, die sehr gut verlief. Die
Albertina hat u. a. die 3. Zeichnung von mir weggekauft, die wir ursprüngl[ich] für d.
Alf haben wollten, aber die uns dann so gut gefiel, daß wir sie auch noch für uns be-
halten wollten. Da kann man nichts machen. Wir haben einen wundervollen Rötel-
akt genommen zu den beiden andern (Vroni u. Hans). Ich hab’ für Halle 2 Aquarelle
(Lofer mit See u. Mädchen) genommen u. die liegende Vroni. Frau Menczel hat die
Mondlandschaft haben wollen u. Ehrlich hat gesagt, die möchte er für sich behalten.
Ich weiß, warum – und bin sehr froh darüber. Alle haben gekauft (nur Dr. Frankl
will erst das nächstemal, wenn das Geriss* um die Sachen nicht mehr so groß u. eine
ruhige Wahl möglich ist) und alle waren eigentlich sehr aufnahmsfreudig. Eine gute
Stimmung, die zum großen Teil auch Stix zu verdanken war, der sich für jedes Blatt
im Interesse der Albertina bemühte, es dadurch hervorhob und dann, als es umwor-
ben wurde, den andern überließ.96
26.IX.1923
Das ist eine lange Pause und dazwischen liegen nicht nur viele viele Stunden, son-
dern mehr noch viele viele Kilometer. Wir sind seit vorgestern (Montag) abend in
Paris. Die letzten Tage in Wien waren so gehetzt wie möglich. Ich hab am letzten,
den ich zuhaus verleben wollte, noch Besorgungen für d. Hans übernommen, sodaß
mir die Zeit des zum letztenmal Auskostens vom „Zuhaus“ nicht blieb. Am Mitt-
woch bin ich noch einmal dem Ehrlich gesessen ; dann hat er das Bild signiert vorn u.
auch an der Rückseite u. wir waren beide sehr zufrieden, obwohl er eigentlich schon
das nächste sah. Jetzt ist es während unserer Abwesenheit in d. Staatsgalerie, Hans
richtet aus, daß es d. Haberditzl sehr gut gefällt, besonders d. Kopf. Abends hab ich
Lampls u. Frau Kiesler (ihn lehnte ich ab, er mußte ins Nebenzimmer) den Tobias
vorgelesen. Grand succès. Nachher stritten sie sich eigentlich nur darum, welches der
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Stücke den Kleistpreis bekommen würde. Daß er mir sicher sei, galt als ausgemacht
(o diese Kinder !) Dann ob das Wiener od. d. Berliner Publikum das richtige wäre
u. ähnliche Zweitrangigkeiten. Am Samstag (21.) früh fuhren Ehrlich u. ich voraus,
da die andern 2. Kl[asse] und durch die Nacht nachkommen wollten. Wir kamen
bis Wörgl. Es war voll, aber wir hatten gute Fensterplätze, ein wundervoller Reise-
tag, blau, schöne Wolken, dann ganz klare Mondnacht. In Wörgl dazu phantastische
Bodennebel. Er erzählte mir viel von Elisabeth Bergner u. Lehmbruck – u. von ihr
und ihm selbst. Wenn wir allein miteinander sind, sprechen wir uns sehr sehr gut. Als
wir nach d. Nachtmahl spazieren gingen, sprach er nur über Kunst u. Künstler. Ich
* Andrang
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien