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Tagebuch 1923
31.X.1923
Gute Nachricht vom Hans. Friedmann schreibt mir, daß er den Tobias nicht vertonen
kann (Worte zu bedeutend, zu schwer etc). Tant mieux. Heute wieder ein ganz blauer
sonniger Tag. Ich bin die Kahlenbergstraße hinauf bis zum Hutterstrasserhaus u. habe
gelegentlich auch auf meinem roten Tuch beim Marterl* oben am Weggraben gesessen.114
Noch glüht das Laub
–
Im letzten Sinnentaumel
Totbereit
–
Noch hält es sich
–
Nur gelbe Blätter zittern
Und lösen sich
–
Wie überlebtes Leid
…
Und fallen
In den Staub
Und knittern
Unter meinen Füßen
…
Und Wegarbeiter halten Mittagsruh
Und ihre Röcke hängen
An den Gittern.
Und Tauben drängen um die Stöcke
Und sinken tief
In feuchte Schollen
Und ihre prallen
Bälge schließen
Geheimnisvolle Feuer zu.
Wir gehen
Frühlingsschwer und grüßen
Verlegen in das rote Licht
–
Und unsre Augen sehen
Vorbei und wollen
Ihre Träume nicht
Gestehen.
1.XI.1923
Gestern nachmittag war Frau Kiesler hier u. hat (unnötigerweise) den Kindern Cho-
kolade mitgebracht. Am Nachmittag teleph[onierte] Zimmermann, ob er außer seiner
* Bildstock
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien