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Tagebuch 1923
Heut
Ist alles leer
Und nichts mehr da
Das mich ein bißchen freut.
15.XI.1923
Gestern nachmittag bei Emmy Kriser, die mir eine „Unehrenhaftigkeit“ von Philippi
erzählte. Akt der Not. Abends Hauerkonzert. Mir war es ein ganz reiner, ein ganz
einfacher Eindruck. Es fehlt mir die ganze Bildung – Verbildung – die sich für mu-
sikalische Leute hemmend dazwischen stellt. Es klingt wie Bach mit Stimmungsbe-
tonung. Georg Halle ganz verrückt vor Stolz u. Größenwahn u. Glück, weil er Hauer
schon vor 10 Jahren entdeckt hat u. ihm die Druckkosten bezahlt hat
– daß er diesen
Tag der Vergeltung erleben durfte ! Tausend Bekannte – schon widerlich. Hans war
nach der Vorlesung u. müde da flüchteten wir gleich nachhause.136
16.XI.1923
Also gestern nachmittag war endlich d. Feier für Alfs Vermählung ; das von mir in
Lofer verfaßte Theaterstück „König Adolph Gustavs Ende und Glück“ wurde von d.
Kindern mit viel Erfolg aufgeführt. Erst war d. Generalprobe schon im Speisezim-
mer, wo die Nische mit Leintüchern als Bühne eingerichtet war. Dann kam Ehrlich
u. brachte die Zeichnungen von mir mit, die dem Hans sehr gut gefielen. Inzwischen
wurden d. Kinder vom Friseur Franz, dem Filius unserer Köchin geschminkt u. mit
falschen Bärten versehen ; Anderl hatte wirklich ein richtiges Altmännergesicht u. sah
ungemein behäbig zwischen den Leintüchern heraus. Stoffel glich eher d. schwarzen
Richelieu als d. blonden Gustav Adolph. Sonst aber wundervoll mit Waffen ausge-
stattet, ein schwarzer Plüschhut von mir, zu dem die Therese eine schwarze Strau-
ßenfeder geliehen hatte, mit weißem Spitzenkragen u. rotem Ordensband. Vronili als
„Troßbube Stoffel“ in Anderls ausgewachsenem schwarzen Samtanzug, wie Stoffel
mit weißem Spitzenkragen, roter Seidenscherpe u. einem roten Filzhut auf den blon-
den Locken. Wir fanden sie alle entzückend, wenn auch etwas kitschig, aber Ehrlich
meinte, daß das Gesicht in diesem Farbendreiklang (schwarz-weiß-rot) gerade gut
zur Geltung käme. Burgerl als Jugend in ihrem etwas ausgewachsenen „Silbernen
Kleid“, aber die Schuhe leider etwas allzusehr ausgedient (die neuen sollen erst zu
Weihnachten eintreffen) sie sprach sich immer beruhigend zu : „Man sieht es gar
nicht, daß sie zerrissen sind. Man sieht doch nicht gerade auf die Füße.“ … Alf war
sehr gerührt und es war auch wirklich sehr herzig. Von den zwei Zeichnungen hat er
sich dann die ausgesucht, auf der mein Kopf liegt. Die vom Hans würde nachgelie-
fert
– haben wir ihm versprochen. Feierliches Nachtmahl mit Alkohol
…137
Heut vormittag Führung im Barockmuseum ; die Damen haben sich über die Na-
sen des Maulpertsch und die Exzentrik des Permoserschen Eugen aufgehalten u. ihre
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien