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Tagebuch 1923
„Auf der Radierung sieht Ehrlich, halb Kind, halb Greis, einem Menschen gleich, der ei-
nen Narren aus sich macht. Es ist die Maske, die er am liebsten trägt, eine Schutzmaske.“
(Tietze-Conrat 1925a, 81.)
41 Die Beschreibung bezieht sich auf Schloss und Pfarrkirche Heiligenkreuz-Gutenbrunn.
Das genannte Fresko, „Die Auffindung des Heiligen Kreuzes“ von Franz Anton Maul-
bertsch, befindet sich in der Vierungskuppel der Pfarrkirche und stammt von 1758. Das in
einen Seitenaltar integrierte Marmorretabel enthält zwei signierte Blätter von Maulbertsch
(1758), links : hl. Wendelin, rechts : hl. Franz Xaver. In Schloss Heiligenkreuz wurde die
Marienkapelle 1733–1735 als frei stehende Wallfahrtskapelle errichtet und ab 1755 in den
Schlossbau integriert. Dort stammt das Kuppelfresko, eine Darstellung der Himmelfahrt
Mariä (1735), von Paul Troger (Aichinger-Rosenberger/Benedik 2003, 765–769).
Der Pflanzenphysiologe Wilhelm Figdor lehrte als außerordentlicher Professor an der
Wiener Universität.
42 In der ersten Hälfte der 1920er-Jahre gehörte auch der Kunsthistoriker und Archäologe
Guido Kaschnitz von Weinberg zum engeren Freundeskreis der Tietzes. Kaschnitz hatte
u. a. bei Max Dvořák studiert und 1914 im Fach Archäologie promoviert. 1916 war er zum
Kriegsdienst eingezogen und der „Kunstschutzgruppe“ HTs in Venetien zugeteilt worden.
1929 legte Kaschnitz in einer Rezension zur 2. Auflage von Alois Riegls „Spätrömischer
Kunstindustrie“ den Ansatz zu der von ihm begründeten Variante der Strukturforschung
vor (Bruck u. a. 1959 ; Keller 1965 ; Schwingenstein 1977, 312 ; Bieber 1967 ; zu Kaschnitz
siehe auch TB 1938/1, 19.2.).
Ilse von Twardowski-Conrat, die älteste Schwester ETCs, war Bildhauerin. Ihre Ausbil-
dung hatte sie in Wien bei Josef Breitner (1864–1930) und in Brüssel bei Charles van
der Stappens erhalten. In Ilses Wiener Atelier lernte ETC ihren späteren Ehemann HT
kennen. Mit dem preußischen General Ernst von Twardowski verheiratet, lebte Ilse ab
1914 in München. 1920 wurde Tochter Elisabeth (Ivo) geboren. Als Twardowski-Conrat
von ihrer bevorstehenden Deportation in ein Konzentrationslager erfuhr, verübte sie 1942
Selbstmord (Plakolm-Forsthuber 1994, 276).
43 Der Jurist und spätere Präsident des Oberlandesgerichts Wien Adolf „Alf“ Seitz war einer
der frühesten Mitbewohner in der Armbrustergasse 20. Seit der gemeinsamen Zeit am
Schottengymnasium war er eng mit HTs jüngerem Bruder Felix befreundet gewesen. Vater
Siegfried Tietze (1843–1930) hatte schließlich auch die Vormundschaft über den verwais-
ten jungen Mann übernommen. Da die beiden älteren Tietze-Söhne sich bereits aufmach-
ten, das Haus zu verlassen, lud er Alf ein, gemeinsam mit ihm und Felix zu leben. Unter
den heutigen Nachkommen der Tietzes heißt es, Alf hätte, als sich das frisch verheiratete
Paar zum Bau eines eigenen Hauses entschloss, HT und ETC aus seiner Erbschaft einen
Kredit gewährt, was ihm im Gegenzug ein Wohnrecht im Haus sicherte. Auch habe Seitz
sich während der NS-Zeit als „rassisch“ nicht Verfolgter darum bemüht, das Haus für die
Familie Tietze zu erhalten (Kristin Matschiner im Gespräch mit der Herausgeberin, Jänner
2007 ; Seitz unveröff.).
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien