Page - 62 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
Image of the Page - 62 -
Text of the Page - 62 -
von >iasnl,cn.
Tu zitterst? — Was ist das? — Was hast du,
Schwester?
Was ist hier vorgegangen? Mädchen, Iprich!
Maria,
Nicht nennen lann ich's, was die Seele suhlt,
Tcr Hülle Marter tobt in meinen Adern,
Und innre Angst in Furiengestalt
Läßt mich nicht rnhn And treibt mich vor sich her,
Tcs Königs Seufzer scheinen T miner mir,
Und jedes seiner Worte ist ein Stahl,
Ter marterooll den Vnsen mir durchschneidet;
Aus meines Lagers Kissen zischen Flammen,
Gespenster in vcrwurrneiu iieltentanz
Umringen mich mit gellendem Gelächter
Und strecken langgedelinte ziuocheuarme
Nach niir und grinse,! und entschwinden immer!
O hab Lrbarmen! — Bruder, rette mich!
Was willst du? Sprich! — Was rannst du
wollen, Schwester?
,Pll»!e, !n dci cr nc Imci!, (^ crgrcist M«iic,!^ Ha„d,>
Nie hab' ich dich fürwahr so schwach geglaubt,
Als du nun leider meinem Ang' erscheinst!
!^ft grollte ich mit der Natur, das; sie
Aus Stoff, aus dem sie sonst nur Männer formt,
Ein Mädchen, unsern, aufgearteten Geschlecht
Zuin Schimpf, gebildet, dessen starte Seele
Tcm eugen haus, der Weiber Wirinngotrels
Entslicht uud i» des Lebens uieitern Üiäninen
Ter höhcrn Tntkraft Walten frei enthüllet.
Ich beugte meinen unbesiegten ^iim.
Gern unter deines höhern Geistes Joch
lind ließ mich leiten ans der glatten hohe
hielt's nicht für schimpflich, einem Weib
folgen.
Und nun! — Maria, was hast du gemacht?
Tie Heldin ist zum schwache» Weib geworden!
Maria,
O hatt' ich niemals mehr zu sein begehrt,
Ich wäre nie dann weniger geworden! zn
Tcin Schicksal war fürwahr beneidenswert,
Als du noch in des Vaters Hause lebtest,
Getrennt von aller Welt durch öde Mauern!
Maria,
Ach, könnt' ich, könnt' ich doch zurück sie, rufen,
Nie ruhig, harmlos hingclcbtcn Tage,
Wo nuch des väterlichen Gartens Grenzen
Genügsam meine ganze Welt umspannten.
Wo noch des Vaters Lob mein größter Stolz,
Sein Lächeln noch Vas höchste Glück mir war!
Tas nicht auch Hiinmel^geister suhlen könnten,
Vin Kind war ich, ein sanftes, reines Kind, lind dann selbst, alo !>er fruber reife Körper
Sich losriß aus der 'vn '.Irme,,,
Blieb doch meiu ^inn au ilirem Buicn Iiangeu
Schuldlos uud rein, wie an der Mutter Brnst,
Tu hast aus diesen, Himmel mich germVn,
Für falsches Flittergold dc» reinen Tiamant,
Ter Unschnld toninl' '!>,',,i>>d mir genommen,
Nodrigo, schändlich hast du mich getäuscht!
^, du veripl'achst nnv eine ^'l,>i!eit
Und warfst dasiir die Höli" in nieinen Posen!
Ha, daß ich ic geglaubt, ein Weib zn sinden,
',i,t genug ,,,i starten ^'nsen nähre,
Sich über das Alltägliche zn heben!
Vcrachtnng dein erbärmlu!'
Auf inühevull rr!t0>nnn,el >',>>>,,
?ce '>wie Pnrpnrglauz en!geg^,,str>!b>t ^
Vcrachtnng dir! — Vist dn ^>0dr,g0s ^iliU'esler?
Vist du die Heldin, die, als jilngil d,e "n',nde
lins unverselnX' uiit llberznhl crreichlen,
Als selbst mein '.",'>!! ',>> n.>>inlen schon begann,
Tie Glieder in der Ziüstnng Eisen schniiegle,
Tic zarte Brust mit rauhen, Stahl bedeckte,
TaZ Schwert ergriss init uniicnwhnler Ha,,d,
Tes 3ien»ers knicken männlich siavt nmspannte
llnd an der ucn belebten »neäue Spiye
Mit mächt'ger-Hand den nubesiänd gen Sieg
An ihres üiosseo Hnfe kettete?
Maria,
Ter «ölper fann des Panzers Wncht ertragen,
Wenn ih,n die ruh'ge Seele >lraste leiht,
Tuch wem, die Last der Schnld den Geist evdrmlt,
O, dann uerrancht die fieberhafte starte!
Ha, Weib, kannst du die blut'ge Tat zwar
>u ollen,
Jedoch vor ihrem Angesichte bebst du?
Tu Engelreine! Nicht Scheu um' den, Laster,
Nur Älutschcu ist es, was deiu Herz erschüttert
Uud deiner Tugend diese Kränipfe abzwingt?
lind diesem llein verächtliche (^esühl
Willst heucheln du mit abgerissnen Fei.,,
Vom Strnhlenllcid der Tugend überdeilen?
Maria,
Anch das von dir? — Weh mir, ich hab's vc»
dient'
!^!hi>M sich !ch„icrz!,aft,!
Für dich hab' ich das schwere Wert begonnen,
In fchlechtaefügteiu, leichtzerschelltem >>lahn
Ten tobenden Wellen des Znfalls preisgegeben,
(5s wachsen dunuernd die empörten Wugei,,
Vs krachen weichend des Gefäßes ^ngen,
lind ich soll itzt nach fo viel schN'cren Opfern
Noch zaudern, einen läst'gen Schiffgenosscn,
Tcr an der Barke Nand sich llanuncrnd hält,
back to the
book Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II"
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik