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O, Aus dem Reiche der Kunst und Literatur, 117
Doch wenn die Leier an du klingst
Und tönst Uun Gram und Lust,
Tann bist dn selber, was du singst,
Das Lied ist deine Vrust,
Nichts sichtbar als nur du und ich,
Nichts hörbar als nur du,
Kein Mittler tritt hinzu.
Da aber »inn» dich nur in acht,
Daß du du selber seist,
Als andern dich erweist.
Sprichst du von tiefem Seeleuschmcrz,
(Im Wcttcrhahn zuvor.
Singst du das Lob der Einsamkeit,
Nennst du die Welt so groß, so weit,
Zu eng für dein Gefühl,
Äls wo man spielt zur Nacht:
>>ier lacht mau nur den Dichter aus,
Tort wird der Mensch verlacht.
Das Ulbild ,md die Abbilder.')
ssiinstbcflisscn und unverzagt,
Unschuld und Reiz und Natur zu erHaschen,
Was er erhäscht und was er erringt.
Jeder fciu fleißig zu Vuche bringt,
Sich an dem tosilnhcn Labsal zu wärmen.
Wie? Und nur du mehrst nicht ihre Zahl?
Schätzest du nicht, wonach jene geizen?
Kanu dich Natnr und Unschuld uicht reizen?
Oder wär's hier wie im Vildcrsaal?
Alles rennt dort und hascht nach Kopien i
Einer nur will sich nicht viel bemühen —
„Trägt er im Nuscn ein Herz von Stahl?"
Nein — er besitzt das Original.
an die Vcrliner.
Seid ihr so arm in eurem eignen Haus,
Daß ihr Geräte borgt aus fremden Fernen?
Spricht das GefiUil nicht eignen Inhalt aus. Was heut geschehn, preis' ich dem Lied nicht an,
Und Gegenwärt'ges hab' ich nie besungen;
Was ist, ist den: Bedürfnis Untertan,
Vergangnes, weil verklärt, ziemt Tichterzunge.
Doch die Empfindung, die dem Liede lauscht,
Sie ist vuu heut uud ist mit dir geboren,
Wie sich dein Selbst mit keinem andern tauscht.
Ist, was dn selbst nicht suhlst, für dich verloren.
Der Anteil liegt in Sachen, nicht im Wort,
Dein Mitleid wecken nur verwandte Schmerze» i
Erbt auch der Geist durch die Geschlechter fort,
^ich selber Grab und Wiege sind die Heizen.
Wenn anders ich in meinen Tagen smii,
Als Äschhlos, erreichbar wohl für keinen.
War's, weil ein andres Echo mir erllang
Aus meiner .Hörer Vrnst, als ihm ans seinen.
lind ihr, nach zwei Jahrtausend Zwischenraum,
Das Widerspicl Uun meines Volkes Leben,
Wollt, was das Wissen euch verdeutlicht kaum,
Dem Mitgefühl als reiche Nahrung geben?
Ehrt ihr mich, wohl, so eignet mich euch an,
Füllt eure Adern straff mit meinem '^lniv,
Und so gestärkt, tnt, wie ich selbst getan:
Erzeugt das euch Gemäße und das Gute,
So weint nnd klagt im harnen Vüßerhemde,
Nicht daß ihr stolz auf Mitgebornc schaut,
Weil ihr euch angehcnchclt habt das Fremde.
Dem aber, der euch deutelt Neu uud Alt,
Sagt nur: es sei'n die schlechtesten Insekten,
Die ihre Eier, weil sie selbst zu talt,
In fremde Körper auszubrüten legten.
Wer Leben schafft, das seiner Zeit gehört,
grenzter,
Tat mehr, als wer znm ^abbnt anfbeschwört
Tie schatten von Gespenstern für Gespenster.
Mein Zensor.
„Was ziehst du trübe Gesichter
Und bildest nach innen nur?
Tu bist doch wahrhaftig ein TichtVr ^"
„„Ei ja, die böse Zensur!"" —
Ja wohl die Zensur! doch nicht jene,
Von Ohnmacht und Tüntel entstammt,
Tie, weil sie selbst ohne Zähne,
Des Staats und der Kirche Tefensor,
Der Thorheit Ketzergerichts ^
Im Innern lebt mir ein Zensor,
Der strenger als jener spricht.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik