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Tcr cn'ine Epiclmann, 173
beholfenheit: das; er gerade zu ein« ^,eit h.im
lehrte, ino fiir andere seinesgleichen erst,die
cgenlliche Ernte anginge endlich die lvenigen,
nlier niit der >,il!t,gi>e,i Betonung, niit völliger
l'lelnnsigleit gesproel,e,,ei! lateiinielien Wmte,
Ter Mann hatte also cinc soilifältigere Er-
ziehnug genösse,,, siä, >!ei,,itni!se eigen gemacht,
und nnii — ein Vettelinnsilant! Ich zitterte
vor Pegievde na,!, den, ^iisamme>,l,ange.
Aber schon befand sich ein dichter Menscken
wall zwischen mir und ihm. Klein, wie er war,
nnd durch das Notenpult in seiner Hand nm!>
allen Seiten !,ii, störend, schob ihn einer dem
andern zu, und schon hatte ihn das Ausgangs-
woge lämpfte, To entschwand er mir, nnd als
ich "endlich selbst ins ruhige Freie gelangte, w.n
nichr zu seln'n
Das verfehlte Abenteuer Haiti mir die Lust
an dem Volksfest genommen. Ich durchstrich den
Angaiten nach allen Richtungen nnd beschloß
endlich, nach Hanse zn kehren,
sührt, hörte ick) plötzlich den bela,inten Ton dee
alten Violine N'ieder, Ich verdoppelte meine
Schritte, uud siehe da! der Gegenstand meiner
Walzer von ilnn verlangten. Einen Walzer
spiel! riefen fic; einen Walzer, hörst du nicht?
Ter Alte geigte fort, scheinbar ohne auf fie
zu achten, bis ihn die kleine Znhörerschar
fchmähend nnd fpottend verließ, sich um einen
Nähe aufgestellt halte
Sie wollen nicht tanzen, sagte wie betrübt
der alte Man», sein Mnsikgeräte zusammenlesend.
Ich war ganz nahe zn ihm getreten. Nie Kinder
Walzer, sagte ich. Ich spielte einen Walzer,
versetzte er, mit dem Geigenbogen den Ort des
focben gcspiellen Stückes ans seinem Notcnblatte
bezeichnend,
wegen. Aber die Kinder haben lein ^!>r, sagte
rr, indem er wehmütig den Kopf schüttelte, --
lassen ^ie mich wenigstens ihren Undank wieder
M macl,en, sprach ich, ein Silbcrstnck ans der
Tasche ziehend und i!>in Innreichend, — Bitte!
bitte! rief der alte Mann, wobci er mit beiden
Händen ängstlich abwehrende Bewegungen mailUe,
in den Hnt! in den Hut! — Ich legte da>> Geld
stück in den vor ihm stehenden Hut, ans dem es
unmittelbar darauf der Alte herausnahm nnd
ganz zufrieden einstellte: das heißt einmal m,t
reichem Gewinn nach Hause gehen, sagte er
schmunzelnd, -^ Eben recht, sprach ich, erinnern
Sie mich anf einen ilmstand, der schon früber
meine Ncngier rege machte! Ihre h.-ntige 0i,i
»ahme scheint nicht die beste gewesen zn sein, blicke, wo eben die eigentliche Ernte angeht.
Nas Fest dauert, wissen Sie wohl, die gauze
Nacht, und Sie tüuuten da leicht mein' gewinnen,
als cm acht gewöhnlichen Tagen, W,e soll ich
mir das erklären?
Wie ^ie sicl, das erklären sollen? versetzte der
Alte, Verzeihen 3,e, ich weiß nicht, wer Sie
sind, aber Sie müssen ein wohltätiger Herr sein
und ein Freund der Musik, dabei zog er das
Silberstiicl noch einmal aus der Tasche und
drückte es zwisllien seine gegen die Brnst ge-
hobenen Hände, Ich will Ihnen daher nur die
Ursachen angeben, obgleich ich oft deshalb ver-
NaclüsclM'ärmer nnd halte es auch uicht für recht,
^ andere durch Spiel und Gesang zu einein solche»
wioeilnlien Vergehen anzureizen; zweitens muß
sicl, der Mensch in allen Ningen eine gewisse
ürdming festsetzen, sonst gerät er ins Wiloe und
und gewinne kanm kärglich Vrot dabei: aber der
Abend gehört mir nnd meiner armen Kunst,
Abends halte ich mich zu Hanse, nnd — dabei
ward feine Nedc immer leifcr, Nöte überzog sein
Gesicht, sein Auge snchte den Boden ^ da spiele
Noten, Phantasieren, glaub' ich, heißt es i»
dcu Musübücheru,
Wir waren beide ganz still geworden. Er,
aus Beschämung über das verratene Geheimnis
von ixn iM'lislen stufen der Kunst sprechen zu
Walzer faßbar wiederzugeben. Er bereitete sich
indes zum Fortgehen,
Wo wohnen Sie? sagte ich, Ich möchte wohl
O, versetzte er fast flehend, Sie wissen wohl, das
Ten Tag über, erwiderte er, gehe ich meinem
Unterhalt bei den Leuten nach, — Also des
Morgens denn, — Sieht es doch beinahe a,i<-,
mir erlaubt ist zn sagen, der Wohltäter; so
mich zurück. Ihr vornehmer Besuch wird meiner
Wohnung immer eine Ehre sein; nur bäte ich,
das-, ^ie den Tag Ihrer Tnhinkunft mir gro>>
günstig im voraus bestimmten, damit weder
Sie durch Ungehürigkcit aufgehalten, noch ich ge-
schäft unziemlich zu unterbrechen. Mein Morgen
nämlich hat auch seine Bestimmnug, Ich halte
es jedenfalls für meiue Pflicht, meineil Gönnern
und Wohltätern für ihr Gefchenk eine nicht ganz
unwürdige Gegengabe darzureichen. Ich will
kein Bettler fein, verehrter Herr, Ich weiß wohl,
daß die übrigen öffentlichen Mufillente fich da-
mit begnügen, einige auswendig gelernte Gassen-
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik