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Das Kloster bei Sendomii. 195
abgerechnet, der Beschauer den Mann eher für
alles, als für einen friedliche» Sohn der Kirche,
erkannt hätte, Haar und Bart, vormals augen-
scheinlich rabenschwarz, nun aber überwiegend
mit Grau gemischt und, trotz ihrer Länge, stark
gekräuselt, drängten sich in dichter Fülle um
Stirne, Muud und ilimi, Das Auge, ilösterlich
gcfcntt, hob sich nur selten; wenn es aber auf-
ging, traf es wie Wetterschlag, so grauenhaft
su>,leiten dir schwarzen Sterne nu^ deu asch
fahlen Wangen, und man fühlte sich erleichtert,
wenn die breiten Lioer sie wieder bedeckten,
So beschaffen und so angetan, trat der Mönch,
ein Bündel Holz uuter dem Arme, vor d,r
Fremden hin, mit der Frage: ob sie Feuer be-
dürften?
Die beiden sahen sich an, erstaunt ob der selt-
samen Erscheinung, Zudejs^n tuiete der Mönch
am Kamine nieder nnd begann Feuer anzu»
machen, ließ sich auch durch die Vemertung nicht
stören, daß man gar nicht friere, und feine Mühe
überflüffig fei. Nie Nächte würdeu schon rauh,
dem er sein Werk vollendet, und das Feuer lustig
brannte, blieb er ein paar Augenblicke am
Kamine stelien, die Hände wärmend, dann, ohne
sich scheinbar um die Fremden zu belümmeru,
schritt er schweigend der Türe zu.
Schon stand er an dieser und hatte die Klinke
i» der Hand, da sprach einer der Fremden: „Nun
Ihr einmal hier seid, ehrwürdiger Vater —"
„Bruder!" fiel der Mönch, wie unwillig, ein,
und ohue sich umzusehen, blieb er, die Stirn
gegen die Türe geneigt, am Eingänge stehen,
„Nun denn also, ehrwürdiger Bruder!" fuhr
seid, fo gebt uns Auffchluß über einiges, das
wir zu wiffen den Wnnfch hegen,"
„Fragt!" fprach, sich umwendend, der Mönch,
Klosters mit Bewunderung erfüllt >,nt, vor allem
nln'r, daß es so neu ist und vor kurze,u ers!
ausgeführt zu sein scheint,"
bei dieser Rede und hafteten mit einer Art
grimmigen Ausdruckes auf dem Sprechenden,
„Die Zeiten find vorüber," fuhr diefer fort,
keit nichts Seltenes war. Wie lange stellt das
Kloster?"
„Wißt Ihr es vielleicht schon?" fragte, zn
Boden blickend, der Mönch, „oder wißt Ihr es
nicht?"
„Wenn das erstere, würde ich frage»?" ent-
„Es trifft sich zuweilen," murmelte jener,
„Drei Jahre steht dies Kloster, Dreißig Jahre!"
fügte er verbeffernd hinzu und sah nicht ans vom
Boden,
„Wie aber hieß der Stifter?" fragte der
Fremde weiter, „Welch gottgeliebter Mann?"
— Da brach der Mönch in ein schmetterndes Hohngelächter aus, Die Stuhllehne, auf die ei
fich gestützt hatte, brach krachend unter seinen«
Druck zusammen; eine Hölle schien in dem Vlicke
zn flammen, den er auf die Fremden riclnct^.
Noch hatten fich die beiden vo» ihrem !^>
staunen nicht erholt, da ging die Türe von neuem
lockerte mit !xm ^tö'reiscn das Fener auf, legte
holz zu, blies i» die Flamme, Darauf fich um-
dcn Dienern diefes Hauses, Die uicdrigste»
Dienste find mir zugewiesen, Gegen Fremde
muß ich gefällig sein und antworten, wenn sie
fragen. Ihr habt ja auch gefragt? Was war
es nur?"
,,Wir wollten über die Gründling dieses
Klosters Auskunft einholen," sprach der ältere
der beiden Teutsche», „aber Eure sonderbare
Weigerung ^"
„Ja, ja!" sagte der Mönch, „ihr seid Fremde
und lennet Ort und Leute noch nicht Ich möchte
gar zn gorne eure törichte Neugierde unbe^
dem Palatin von Plozk an die Kehle griff, weil
er meiner <^äter Namen fchimpftc, Kommt il>r
vnu Warschau!" fulir er »ach einer kleim'u
Weile fort,
"vremdru,
„Das ist eine arge Stadt," sagte der Mönch,
indem er fich setzte, „Aller Unfrieden geht von
dort aus. Wenn der Stifter die'eö «losters nicht
nach Warfchau kam, so stiftete er überliaupt lc,ii
Kloster, es gäbe keine Mönche liier, und ich wäre
anch keiner. Da ihr nicht von dorther tmumi,
mögt ihr rechtliche Leute sein, und alles be-
trachtet, will ich encki die Geschichte er^,i!,> ,,
Aber unterbrecht mich nicht und fragt nicht
weiter, wenn ich aufhöre. Am Ende sprech' ich
selbst gerne wieder einmal davon, — Wenn
nur nicht so viel Nebel dazwischen läge, mau
sieht kaum das a!tc 3«,,,»ischlos! durchschiiu-
?i>' litten Worte verloren sich in ein unver-
ständliches Geinurmel und machten endlili, ,',>,, r
tiefen Stille Platz, wälireud welcher de>
die Hände in die weiten Ärmel gesteckt, das
Haupt auf die Brust gesunken, uulx'weglich da
saß. Schon glaubten die beiden, feine Zusage
habe ihu gereut, und wollten kopfschüttelnd sich
Kapuze fiel zurück; das Auge, nicht uiebr wild,
strahlte in fast wehmütigem Lichte: er stützte das
„Starschensky hieß der Mann, ein Graf seines
Stammes, dem gehörte die weite Umgegend und
der Platz, wo dies Kloster steht, Tamals war
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik