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136 III, Erzählungen,
aber noch lein Kloster, Hier ging der Pflng;
er selber hauste dort oben, wo jetzt geborüen.'
Mauern dns Äondlicht zurückwericn, ?>'r !'>r>n'
>uar «illtt schlimm, wenn auch gerade nicht gut,
55m »riege Iiies; ma» ihn tapfer: sonst lebte er
still und abgeschieden im Schlosse seiner Vater,
libcr eines wunderten sich die Leute nm meislen:
nie lialte nian ilin einem weiblichen Wesen inii
'.'ieigung zugetan grsebeu, sichtlich vcriuied er
den Umgang mit Frauen, Er galt daher jür
einen Weiberfeind; doch war er keiner, d'in von
Natur sclnicl'terner 3inn, und — Ias,t sebu, od
ich's treffe!" sagte der Mönch, indem er siii,
aufrichtete — „ein über alles gehendes Beilagen
nn Besitz seiner selbst hatte ihm bis dahin leine
Ännäln'rnng erlaubt, Abwesenheit von Unlust
war iym Lnst, — >>abt ihr noch Wein übrig?
Gebt n,ir einen Becher! der Graf war so
Ter Mönch tränt, dann fuhr er fort: ,,3o
lebte 3tarschenot„, fo gedac!>te er, zu sterben:
doch war eo ilnn andero bestimmt, Ein )1ieicl,s
tag rief i>,n nach Warschau, llnwilüg über die
Ver!> lnl>,eit der Menge, deren jeder nur sich
wollte, nw es das WoM de>> !"anzen galt, ging
er eine>> Abends durch die Straßen der Stadt'
schlvarze Regenwolken Inngen a,n ,"iui,uel, jede,,
Augeudlict bereit, sich zu entladen, dichtes Tuulel
rinac-u,!,. Ta hört er plötzlich hinter sich eine
weidliche Ttimme, die iillernd und schluchzend
ilm anspricltt: Wenn Il,r ein Mcisch seid, so er-
barmt Encl, eines llnglücllichen! Ziasch umge-
wendet, erl'lickt der l^ >raf ein Mädchen, das
bittend ümi die xvinde entgegenstreckt, Tic
>tleidung schien ärmlich, >>a>5 nnd Arine schim-
merten weis, dnrcb d,e Nacht, Ver Graf folgt
loarme, weiche Hand ergreift die seinige, — 2cid
Ihr Ordensritter?" unterbrach sich der Mönch,
zu dein jünqern der "vremden gewendet, „Was
bedeutet da^ >trenz auf (iurem Mantel?" —
,,^ch bin Malteser," entgeguete dieser, — /,Ihr
auch?" wendete der Mönch sich zum Zweiten,
— „keineswegs," war die Antwort. — „habt
Ihr Weib und «inder?" — „Beides hatt' ich
mc," — „Wie alt seid Ihr?" — „Fnnfnnd«
Mönch, Tan» fnlir er fort:
„Ein bis dahin unbekanntes Gefühl ergriff
den Grafen bei der Berübrnng der wai'wen 5>iüd,
Sie erzälilen ein niorgenländisches Märchen von
einem, dem plötzlich verlieben ward, die Sprache
der Vögel nnd andern Naturwescn zu verstellen,
und der nun, im Schatten liegend am Baches«
rand, mit freudigem (irstaunen rings nm sich
dein Grafen, Line nenc Welt stand vor üim
aus, und bebend folgte er seiner Führcrin, die
cinc kleine Türe öffnete und mit ihm in ein
niederes, schwcicherlcnchtctcs Zimmer trat, „Ter erste Strahl des Lichtes fiel auf das
Mädcheu, Stanchi-noN,- inneisieo Weien ml'^ie
auf, das, d,e Wiilln'l,^!! gebalteu^ >v.',,'' d,e
>ll>!iliug versprach, ?^1^ ^iädclieu war fcböu,
schön in iedem Betracht, Schwarze ^oclen
ringellen ficl, um ^tlru nnd ',^a,!en n,,d er
hoben, not dec gleill'g^iin Xen W,i,!l'!
den '.'iug^.v ?er ^>„nd Uü! >>PP,g anfg^N','
beinahe zn hochroten Lippen, ward leineswegs
durch eine kleine Narbe entstellt, die, als schmale,
weißlich gefärbte Linie fclnäg abwarls laufend,
fich in den, >larmin der Oberlippe vevloi
c!'en in >t>uu und Wangen^ Stirn nnd Naie,
luie vielleick)t gerade der Maler sie nicht dc>ill,
wie sie aber meinen ^anix-manninnen wl,i l
Köpfchens und standen in fchönem () ^
mit den Formen eines zugleich schlauk und voll
gebauten >iö>per^, defien üpp,ge 3cl!önl,eit die
ärinlichc i^üllc mehr erhob als verbarg —
Nicht wahr, davon wisit Ihr nichts, Maliefer?
Ja, ja, bei dem alten Mönch rappelte emmal
wieder! Laßt uns noch eins trinken! — So,
nnd nun gut,
„?er Graf stand verloren im Änschiinn d>s
Mädchens und bemerl,e lanin, das, in eine,n
Äintel der >>i,!!e, auf nioderndes Strob ,i
einen zerrissene,, Dattel statt des «,fseno i,u!er
den, ,^opse, mit Lnnipen bedeclt, die Jammer«
gestalt eines alten M^,!,,!>'' l.,g, der ,e!tt d,e
Hand aus seinen ärmlichen füllen hervorstreiüe
und mit erloschener Stimme fragte: Bist dn's,
Vlga? Wen bringst dn nur da? ^ >
Ungluclliche, sprach dns Mädclien zu Starschen^ty
gewendet, siir den icb, dnrch äusierste '.'>ot qe
trieben, (iner Mitleid ansprach. Er ist mein
Vater, ein Edelmann von altem Stamm nnd
Adel, durch Verfolgungen bis hierher gebracht,
— Vnmit ging sie hin, und am Lager des
Greises niedergelanert, snchte sie dnrch /,
rücken nnd Ansbreiten in die Lumpeu, die üin
'Irduuug zu briugcu,
„Der Graf trat uäh.-r. Er crfnhr die Ge>
fchichte, Ter vor ihm lag, war der Starost
das Vaterland mißbilligte, Ihre Anschläge
wurden entdeckt, Nie beiden Sülnie samt einigen
Unvorsichtigen, die mit ilmen genieine Sache ge-
macht, traf Verbannung; der Vater, fciner >",,i^r
beraubt, war im Llend,
„ Im ersten Augenblicke, als Starschensly den
Namen Laschek hörte, wußte er auch schou, daß
so hatte er doch durch Leichtsinn in der Ingend
nnd üble Wirtschaft im vorgerückten Alter seinen
3ölmen die rechtlichen Wege des Lmporkommens
! schwierig nnd Wagnisse willkommen gemacht.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik