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I. Zur deutsche» Literatur, 233
bav,s ^läiscl scl,ien, sieht man mit einemmal,
das, jede Erscheinung der sittlichen Welt sich nach
den Aul,mw>^l.'i,u,i>',! dl'l >>>e,ieldctri und des
Einmaleins darlegen lasse. Weun Wille nnd
Entschluß des Vienscheu nicht frei sein sollten,
so s,ud doch die Fäden ihrer Leitung so fein »nd
tou,pl!,;iert, daß Seildreher und Iwiruspiu,,c>
Gervinus wundert sich über Goethes Er-
Ilärimg, daß er fich für unfähig halte, eine
wa!ne Tragödie zu schreiben, und daß er fürchte,
Er sieln eben nicht eiu, daß <'>oetheo '.'lrt, fich
in die innerste Natur des Tarzustellenden
hineinzusetzen, ihm die Identifizierung mit den
der !>en!m!!e aufualim, das Innere aus seinem
eigenen, reichen Wesen suppliertc und so mit
eiuer bald abzuschüttelnden Ficberaufregung
Slnik'speare fich lragischen Stössen in Goellieo
Siuue lüugegebeu, Selbst die großen Alten
haben es mehr in Schillers Sinn getan, mit
dah fie ihn wieder an Großartigkeit übertreffen,
wie Schiller Goethe», aber nur aus demfeiben
Grunde,
Nibelungen,
schon von uoruherciu in Absicht lag, ebenso
durch ^ageu erzächlt werden. Aber wie lurz bis zur
IIuv,>sl,iudl!chteit wird da dns Weseutliche uud
voN^'!' ei,,!- solttie Weitschlueifigleit fand. Auch
erschien Siegfried beim Adsclned von seiueu Eltern
v/ie e,u !,a!l' Iu>s!oses ilind, so daß der Ve>s,isser
scheiut,
Weun Kricmhild ans ihrem Gemache her-
vorge!,t, >vird der dichter so »varui, daß er selbst
ein pnar (Gleichnisse branäit, was ilnn sonst nicht
Iei,l,t qcschiein, '^ ve,n >vol>l einfiel, dnß der Ver-
sasser der Nibelungen Hvulfram von Efttn >>l'al!>
sei? Eine größere Verschiedenheit ist kaum denk-
bar Tie 'Nibelungen sind grandioser, Eschen-
Vru,!l!>ld — »önigin von Island, ^chö»,
daß sie sich zuerst an Siegfried wendet, obwohl
er nur als Tieustmann da ist. Auch der o>egeu-
san di'r vier ,^.'I>en! der König, Siegfried, der Wie weise ist die fpätcre Verschlimmeruug
von «riemhildens Charakter schon bei der Ab-
will, 27U7,
altdeutschen Gedichten findet.
Man tut nichts Gutes, wenn man die Nibc<
luugeu i,i neue Sprachen überseht. Es wirft sich
dann die Roheit des Ganzen bloß auf den In-
aber zeigt sich erst das unvergleichliche Verdienst
des Lichters, der in einer so brutalen ^eit der
waliveu Poesie — was Auffassung, Eharakte-
5?artmann von Aue.
Iwein,
unsichtbar macht. Auf diese Art läßt sich freilich
jede Schwierigkeit auf die Seite fchaffe».
Sonst versteht Hartmann von der Aue besser
mündig nnd unklar als die übrigen.
Im Iwein schon die Antithese, die wohl im
Waiiber von der Vogelweide, aber kaum im
Tieser Tichler, wenn auch nicht so schwnng-
ihul,, doch allen an Verstand, Sittlichkeitsgesühl
und Urteilskraft überlegen.
Nach der englischen Bearbeitung zu schließen,
vielmehr als die Übersetzung eines französischen
Originals,
Vurtresflich, wie die jüngere Schwester auf
ihr Erbe verzichtet, damit leiner der Kämpfer
dev!,a!b da^ 5,'eben verliere, 7302—73^,
Wunderschön, wie Iwcin zuerst sich zum
Gegner wendet und die Nacht rühmt, daß fie
ilnu das Vesiegtwerden erspart habe, 74M, —
Terlei Züge fncht man bei allen gleichzeitigen
TichN'ru vergebens, — Tie ganze Stelle wahr»
haft schön,
Walther von der Vogelweide.
Es ist noch die Frage, ob man Walther von
der Vogelweide einen eigentlichen Tichter nennen
kann, Vichterische Glut uud Phantasie fehlen
beinahe ganz, Verstand und Empfindung kann
man ihm nicht absprechen. Er ist größtenteils
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik