Page - 242 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
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242 V. Studien.
fordcrnngcn stellen, die gerade das Gegenteil
uoii denen sind, die Schiller an sich selbst ge-
stellt hat,
Jean Paul,
Jean Panl ist in Gedanken, ja in seinen Emp-
findungen erhaben, aber seine Phantasle ist ge-
mein, s,e malt nur niedrige Gegenstände mit
Wahrheit, nnd gerade die Phantasie ist das
Spiegelbild des Menschen, Gedante und Einp
findnng v'igen nur, >>,>as er sich bestrebt zu sein:
die Einbildungskraft gibt wieder, was er ist,
Jean Pauls Phantasie, so herrlich im Ab
spiegeln innerer Zustände, ist aber beinahe gar
nicht geeignet zum Darstellen äußerer Hand-
!>,u>^,,, er übergeht sie daher auch häufig ganz
kurz, nnd indes ei die Ursachen bis ins kleinste
nuomalt, werden die Wirluugeu oft nur leiätt
angedeutet, Daher sind auch seiue Werke da
am fchN'ächsten, wo das dramatische Element
vorgreifend >vird. Ich kann mir dcnten, daß ein
Drama von ihm leicht das elendeste Machwerk
sein tonnte, Er neigt zur Miniaturmalerei
hinüber, ein Dramatiter soll aber 2! ire^'u
malen, schon Goethe tut es zu wenig, Shake-
speare kann's nnd auch Ealdcron, dieses An-
legen gros.er Partien mit breiten Schatten und
derbem Pinseldrücken, Was mich an Jean Paul
überhaupt anzieht, ist sein Verstand und sein
Hnmc>r; seine Empfindung schwillt oft bis zum
Erfänfen an, und seine Phantasie verslattert
leicht bis znr Bildlosigkeit, d. b bis zur llu
Phantasie, Wenn er gern in Bildern denkt, so
malt er dafür auch manchmal nüt Wegrissen,
Tieck,
Tieck, ein geistreicher Mann, Diese Vezeich-
unng zngleich als Lob nnd als Tadel ausge-
sprochen, ?ac> will sagen: er hat Geist, wo speist
vonnuten; er hat aber auch beinahe »nr Geist,
scliec- Talent äußerst fchwach uud ohne alles Ur»
Wiedr» geben konnscher Vezügc und Charaktere,
Kuinisch ist beinahe nicht das rechte Wort, Die
.Herausstell,ing und Verspottung des Abge-
schmackten ist sein eigentüinliches Feld, Da-
gegeu ist das eigentlich Poetische, d, h, in schöner
die Gabe, Landschaften und andere Naturalisier«
lichleiteu mi! den Augen dieses oder jenes be-
stimmten Malers anschauen zu können, und be»
zeichnet sich dadurch, nicht unbewußt, als
Dilettant in der bildenden Kunst, Ti^l lb. '
kann man von Tieck in der Poesie sagen. Wenn
rr Shakespeare als eine Arille aufgesetzt hat,
sieht er die herrlichsten Dinge, Deshalb hat er
sich auch in diesen Meister so hineingelebt, der
ihm einen Halt, gleichsam die Pappe hergibt, auf die er seine eigenen, nml!pp>',,^',, P.nn,l.
nlännerche» a,i'!,,'bt, I„ friM.'ivr .',,,! m^,!!,'!,
ihm die Minnesänger, der >la!lw!!i!<'!:,',is, o-e
Spanier älinliche "Tien.sle >>",>!>,',,, A,n ent«
schiedcnsten fehlt ihm t>er ^ini, fiir alle und jede
Form, Vei seiner Änla,^- ',iüü >lomischen hätte
er ein guter ^nstspieldichler N'erden müssen,
wenn nicht sein haltloser wch't sich i» der Form»
^ als seinem eigentlichen Elemente, be»
Ei lann nickils ma>!>en <.^ l> ,^>', -
Keine Epopöe, lein ?r>nua, leinen ^»oman, ja
kein lyrisches Gedicht, in den, der Gedante scharf
abgeschnitten, anf gleichen Flügeln de^ )>>!,,!<!>.
üius lerchenartig emporschwebte. Ein geistreicher
Süz^isinus der Ausdruck seines Talents
kommt noch der Mangel eines Innern, Ich n^'is!
nickst, ob Wahr und Falsch für ihn Gegensätze
sind, oder Gut uud Aöse - d, ,ft l'in guter
poetischer Farbenreiber, wollte Gott, er wäre
auch ein Maler,
A. W. Schlegel,
Zwei der gefahrlnl ^> ,^'^l ,,,,,",
ungeübten Verstand siiid Sniitlis Werk über den
'Ilationalreichtnm nnd A, W, Schlegels Vor»
lesnngeu über dramatische Kunst und Literatur,
daourch nämlich, das; s^e init den richtigsten
Details die falschesten Prinzipien Uerbinden, da»
durch, daß sie beschränkt gültigen Sähen eiue
Allgemeinheit geben, die sie Uerwcrflich macht;
lagen noch gar nicht gewiß sind. Von Schlegels
W.rt möchte ich sagen: es enthalte keinen ein-
zigen ganz falschen, aber auch nicht einen ganz
wahren ^att,
Friedrich Schlegel.
1^22,
Dieser Friedrich Schlegel, wie er jetzt dnselt
er war, als er die scheußliche Lncinde schrieb.
Ich habe ihn ganz kennen lernen, bei eineni
Mittagsmahl, das vor Pier Jahren, als ich in
Neapel war, der Hamburger Kaufmann Nolte
uns beiden gab. Wie er fraß und soff und,
er über mich lachte, als, da die Ned.> auf seine
Lncinde kam, ich versicherte, ein Mädchen würde
mir unerträglich sein, wenn sie ohne Schmerz
daran denken könnte, sich ergeben zu haben.
Tiefer Mensch lönntv jetzt noch einen Ehebruch
er dabei nur shmbolisch au die Vereinigung
Ehristi mit der Kirche dächte. Vci diesen neuen
Mystikern wirkt das Ehristentnm durchaus nicht
aufs Praktische. So wie uur ein Wissenschaft»
lichcs Bedürfnis fie darauf hiugetricben hat,
so ist die ganze Wirkung desselben auch nur ein
theoretischer Glaube, und indem sie sich mit
Gott pereinigt denken, glauben sie den G
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik