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248 V, Studicn,
eine neue? Tie Zeiten sind selten, wo die Ver-
nunft sich Plan macht, und ebenso selten die
Verstandes, der richtigen Ansicht geltend zu
machen »riißlen. In Eiuiangelnng der Lcisinge
nun bleibt nichts, als einen llnsinn dnrcli de>,
Schlechte immer schon darum besser ist als das
schlechte Alte, weil wenigstens die Vcrjährmigs»
zeit des lederen dnrch den Einspruch uuter»
brochen wird, so hätte man froh sein sollen, in
Tamm gegen die Anuiaßuug der bisheruien z,i
bekomuien, ilbrigens hat diese junge Schnle
bei aller Vcrächtlichkeit eine löbliche (5igensc!,ast,
die gegenwärtig iu Teutscbland sehr felilt, eine,
wenn auch täpnijchc, Geradheit nämlich, Sie
macht sicl, leine Illnfionen, Sie ist frech, lveil
kalter frech ist; irreligiös, uud die ganze
Religion der Zeit ist Selbsttäuschung oder
als eine Art Pferdelnr zu brauche» ge,vesen,
Gerade weil sie oerächilich >var, tonnte sie wenig
Schaden tuu und innßie ein baldiges E»de
nel'inen, tiefte» die ?)lenschen nnr erst die ?>atnr
i» il,ren l^ egensaNen nngestört anslvirkcn, die
Übel fände,, bald ihre Heilung iu fich selbst,
das Lebe» deo einzelnen ist befchräukt, uud fiir
eiuen toten Pat,entcu tounut jede Negeueration
zu fpäti das Geschlecht aber stirbt nicht ans,
und der Frühling findet alljährlich sciue Vänine,
Gutzkow,
GukkoN's Nero, Ta ließe sich denn uicl
Gntes sagen, daß der Verfasser «Äcist habe, daß
selten die Poesie mische, daß, trol; aller iiarilatur
eine iveuu auch uicht historische, doch anllno
pologisch scharfe, sinnige Auffassungsgabe dnrchs
Ganze gebe, Ä'ian könnte viel Gutes sagen, Ich
will es aber nicht, Tcuu gcuau gcnoninnn ri,I,rt
der gegeiNvärtigc Verfall der deutfchcu Literatur
fcheu Publikums her, sich iu poetische» Werieu
einzelnes gefallen zn lassei,, statt einen Lindrnck
des Ganzen aufzunehmen; Uon der Lile>!e,t,
lieber seine eigene Tagazität zu zeigen, indem
stützt, dunkel "Angedeutetes heruurhebt, als sich
mit uubesaugcuer Hingebung die Herrschaft eims Autors in seiner Welt grille,, i>i lassen, Auf
dn'se '.'>lt enlslund d,e Vorliebe für das UnseNige,
das Ttizzenhafte uud vou diefeu, zum Fratzcu»
hafte» siud zwar mehrere, aber uiwernieidliche
Echritte, Tas ^>eiül,l ist der heilige ^v>,,!u,'!
>,! >!,insl, der Probiersteiu des Gefühls aber ist
die «milinuilät seiner ^,'onien!e, da^ llnnuter
brochenc des Eindrucks, Co n,ue e,n >',n>I,l,i
dich in einzelnen Bewegnngeu leicht läi!j,!,,',i
tcNiu, fort,oährcnd beobachtet, in nächste Nähe
gezogen, aber das Gewicht seiner Aufgabe »icht
immer mit gleicher Stärke zu tragen oermag,
so wird auch das poetisch Gen,achte, wem, es
leiu Moment überspringen darf, dnrch Äbwesen^
I,eiten nnd Streiche ius Leere sciue Schwachen
uur zu bald «erraten, und der Lügner steht dci.
Es ist an Goethe hart getadelt worden, dȧ
er sich der sogenannten romantische,, Schule, ja
den besseren ,vervorbringnngen delsell'.'», drn
Genoveix'ii uud ^ltavianen fo liartuäckig wider«
nnißte, daß ^ine ^orni, d,e sich uou dem Stosse
beherrsche» läßt, statt ih» zu beherrschen, den
>lei,n der. Fratze uotweudig in sich trägt! wußte,
daß nicht die Ausdehnung, soudcr» das Erfüllt»
sei» den Gehalt bestimmt; wußte, daß Künstler
machen; andeuten nnd anlegen aber die Sache
der 3tninper ist,
So hat anregend nnd nufreizcud statt be^
friedigcud die deutsche Poesie immer weiter um
sich gegriffen uud da, um Eindruck zn machen,
der Stoff »ur durch Nberfchwcnglichtcit das cr>
setzcu kanu, was der Vehaudlnng abgeht, so ist
die Pocfie endlich teils der Prosa verfallen,
iudem fie felbst das Streben aufgab, eine
passende Form zu finden, teils der Fratze,
indem fie in eine Form zn pressen snchte, was
Friedrich Qcbbol.
In jedem Tichtcr ist ein Lenker und ein
Künstler, hebbel ist der, denkende,, Aufgabe
danke macht sich bei ihm uicht im Eindrucke
Jakob Grimm.
Jakob Grimm ist eine merkwürdige Indi»
Uidnalität, Er ist der „„schuldigste Schrift»
steiler, der je gelebt hat, Eiuc folgerechte Phan-
tasterei, ciu kindlicher Pcdantismus macht deu
Gegenstand, deu er uur zu erklären glaubt. Im
Grnnde schreibt er nnr' für sich. Ob man es
lefen kann, ob man ihn «erflehen und billigen
wird, ist ihm gleichgültig.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik