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256 V, Ztnoicn.
j ^Inforderungen nun trat Lupe dc Vega
mit einer Leichtigkeit der Produktion g^ünbrr,
die in der litcrarischcn Welt ihresgleichen nnltt
I,at, Einer seiner gleichzeitigen Freunde schreibt
ihm MM Komödien zu, er selbst gesteht über
7M, von denen gegen uierthalbhundert gedruckt
Überlegung laum zu denken war, versteht sich
von selbst, Tas Publikum begehrte immerfort,
und er schrieb in einem fort.
Später, als der Heinbuuger der Nation ge-
getrcten war, fing sie an, sich des Kindischen
ihrer Vorzeit zu schämen, nnd in der dadurch
entstandenen Reaktion gerieten dieselben Schrift-
steiler in Vergessenheit, die früher ihr Hoch-
llberhanpt wird jede Nation, die sich euro
päisch zu bilden begiunt, anfä,,glich iinmer nach
der französischen Literatur greifen, Tas .^torreüe
derselben, sagt dem Geiste zu, der, ehe er nene
Lrwerbungcn machen kann, vorerst alte Fesseln
nbwersen will. War es doch in Deutschland, ja
selbst in England nicht anders. Nur brauchte
Teutschland nichts zu vergessen, da es nichts
hatte,
"Auf diese Art ist Lofte de Vega der neueren
Welt ziemlich unbekannt geworden, Ein paar
deutsche Übersetzungen einzelner Stücke (von
denen ich Halms Bearbeitung von: „König nnd
nicht viel bedeuten, da man Tichter überhaupt
nicht übersetzen kann, am wenigsten die Spanier,
bei denen der Zauber des Ausdrucks die Hälfte
des Wertes ausmacht.
Auch die Kritiker find nnfäubcrlich mit ihm
verfahren, A, W, Schlegel, der den Ealderu,,
so ziemlich, Lope de Vega aber wahrscheinlich
des Lupe das reine Gegenteil ciues Pedanten
war. Lord Holland hat ein eigenes Vuch über
ihn nnd Cervantes geschrieben, in dem letzterer
so hoch gestellt wird, als er verdient, indes
seinem spanischen Landesgenossen geradezu der
gesunde Menschenverstand abgesprochen wird,
schlechten Gedächtnisse die Einzelheiten wieder
vergessen i nur erinnere ich mich, das; bei allen
Vorzügen des Weites der Verfasser sich uou der
zu lobeu, was einen bestimmten Tadel verdient,
So ist der Vorwurf des freilich ganz unbe-
rufenen Lord .Holland, daß der gesunde Menschen-
verstand mitunter iu den Stücken Lope dc Vegas
unrecht, wenn er meint: was den Stücken fehlt,
fehle deni Verfasser, Lope de Vega hat in den
bessern seiner Tramen eine so scharfe Urteils- kraft, eine so nllrs ben-chneiwe Ilbevl^un, , ,,>'
zeigt, daß das Absurde in manchen ,,,,,,,
irgend anderswo, als in der Absurdität des Per
jafsers, gesucht werden muß.
Um als» gleich in die Sache einzugreifen,
kann Lope de P,'g,i „ul't i^m's ^biü^v >ür 5.'>ist
g,'l^t werden, was in ixn, Elnnalier und d>v
Richtung seiner Zeit und seines VoltVs I^g ?,e
bis zum Lächerlichen gellenden Ilbertreil'uugen
der schönen Einpjindnngen: Elne, ^lebe nnd
Glaube lals Aberglaube nämlich gehen so sehr
durch alle Schriftsteller n'ner Zcn nnd sind
namentlich vmi Ealderon w sehr ans du' ^pine
gestellt worden, das; unserem Antor dara,,,- Il'in
V^rivurf gen,acht werdeu lann, und zwar um
daß er über diese Erbsünden des Mittclaltcrs
viel richtiger gesehen hat als die meisten scinrr
Zeitgenossen, Lope de Vega war ein prosaisch
heller Kopf, und nur als Tichter ,^ ab er fich,
abgerechnet davon, daß die M'utlermilch doch auch
sein Inner» lii i^cn Iiatle, jenen Schwärmereien
Nichter, als Farbe nnd Gestatt gebend, will'
werde», da das Geistige als solches keine Ge-
stalt hat nnd das Limt teme "varbe.
Lope dc Vega ist ein vortrefflicher Llniliilter»
maler. In seinen ernstliaft ge,,,einten Stücken
ist nichts konsequenter nnd wahrer, als die
Haltnng seiner Personen. H i^e es aber ,,>,,,,,il
zum Spaß kommt, hört alles Recht >X!
richtigleit ans, Ter Zweck ist uur, den
zu unterhalte,,, und je toller, je bess>
Würde und Empfinduug angelegte Lliaraüere
stürzen sicli ,n,t einem ^prnng in dl,, tollen
Sabbat und gebärden sich so närrisch, als der
Narr. Die sudlichen Nationen haben alle diese
Neigung zur Posscnhaftiglcit, und di
nis. Aber selbst bei Shakespeare nins; die Per-
son, die mit dem Clown sich unterredet, in
seine Späße eingehen und gibt, wenn auch
vorübergehend, ihren Charakter ans, so lange
das Ballspiel des Scherzes währt. So Tcs-
demona, so jenes später als Ärztin erscheinende
Frauenzimmer in einem seiner Lustspiele, „Ende
gut, alles gut",
Loftc dc Vega ist ei» großer Freund der ^lir-
feigen. In vielen feiuer 3tücke find sie der
Hebel der Intrigue, Im I)uc;ue ä« Vi83c> gibt
der als musterhaft geschilderte Herzog vou Gni-
Vackcnstreich, Ebeuso liebt er den Wahnsinn,
Ohne viel Vorbereitung werden seine Helden
närrisch, kommen dafür aber auch gleich wieder
zur Vernunft, wenn der Ansgang des Stülles
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik