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276 V. Studien.
Tas ist nun eiu wildes Zeug, Zivci ?lltc, die
sich jugendlich verlieben, ohne, wie es scheint,
darum lächerlich zu werden, Eiu «önig, sonst
ehrenhaft, der seine Gattin zu e>»iordeii be«
schließt, um sich andcrweits zu »erheirate», Tic
>lünigin, die ihm dasselbe zurückgeben will, uu-
ȟttelbar nachdem er ihr, sie niit seiner ^ieliebten
verwechselnd, körperlich beigewohnt hat, »^ m .,
d.'r .Held des Slnck^, gleich bereit, den 5lönig
zu ernwrdeu, sobald er erfahren, daß dieser ihm
nachstellen lasfe, Seine Tapferkeit olüiegleichen,
die sogar einen wirtliche,! Löwen .-,nr Anev
tcnnuug zwingt, der sich auch leibhaft vor dcu
'.'lugen der Zuseher zn scincu Füßen niederlegt,
welches Ereignis das Volk von Granada bewegt,
den Mörder seines Vaters znm Könige zu machen.
Wenn das Ganze irgend einen Anspruch hatte,
zn seiner Zeit zu gefalle», so war es, außer der
Lust am Bunte», wohl »ur der Gedanke: Nas
ist nun die gerühmte Tapferkeit der Mauren!
Terlei Gräucl mischen sich in ihre großartigsten
Taten! Tas beste noch die derben Protestatione»
d.'s .Helden gegen die maurisch spauische Gala»-
tcric vou Lopcs Zeitalter, Es fehlt übrigens
nicht a» guten Stelle»,
Wen» mau einmal für einen Lichter ein.'
Vorliebe hat, ist man in Gefahr, fich vou ihm
alles gefallen zu lassen. Ludwig Tieck müßte
dieses Stück vortrefflich finden, wenigstens hat
er selbst ahnliches gemacht, und ich habe auch
nichts dagegen einznwendcn, Tic Fabel besitzt
alle Fehler eines Trama der damaligen Zeit,
Vor Erfindung der Wahrscheinlichkeit muß man
es mit Unwalirfcheiulichkcit nicht genau »elmieu,
Stücken, bewunderungswürdig erscheint, ist der
andere Mal die Nachteile der Blödigkeit, den
Stoss des «Gespräches hergibt, Ter humoristische
Tcr Milchbrnder Valentins, der, nachdem sie
iich im Zank erhint, dnrch brüderliche Nach-
giebigkeit rührt und gewinnt. Die bis zum
!,>lcvottanlen uiiwalirfchciulichc Szene, wo der
König auf die bloße Anklage »bertos sein ge-
liebtes Weib, ohne daß sie eine Einwendung da-
gegen macht, töten will, durch das Beneb>nen
Ifabcllas zu einem kleinen Meisterstücke erhoben
und so iu eiucn Winkel des Stückes hinge-
worfen, was ein ärmerer Nichter sich als einen
Effektmomcut für eine Hauptsituation aufgc-
wachc weiß er durch nichts Besseres zu charal- (nicht versteh»), brnülis, anch dan .^ini n,,t
figuriert.
Nie Geschichte jenes spanischen Tichters,
Mazias, den der Gatte seiner Geliebten durch
einen Speerwnrf tötet, weil er, ans'.en ani 5nrn,e
stehend, ihn inwendig ein Lu^geoichl s>ngcn
hört,^ Nas Ganze vortrefflich gehalten., bi-.- anf
dadurcl, an Wirlnng verlier!, ^e!,r gul die
Lharalterc der ^>e!n'l'te» und Gattin «lara n,iti
des «'nosuneisters von Sa»tiago, Ä!a,^,ias u>,d
sein ?!el'enbnhler Tellu »ach Lopes Art uiclu
bcsouders scharf, aber darin» nicltt nundr gut
gehalten.
c«>I<>5n.
Niese Iutrigeustücke sind die schwache ^eile
Lope de Vegas, Au Intrigen fel,lt es zwar
nicht, fic find aber so schlecht miteinander ver-
bunden, nd.'r Alt Innpft eine neue an, fo^daß
man am Ende kaum weiß, wie man den ?itel
des Stückes rechtfertigen soll, >-o sind liier Mei
eifersüchtige Studentinnen, Ner ente Aü scheint
Inlien als de» Mittelp»»lt des ^tii>!>
lnndige», ja im dritten Alt inacl't sie'^in'ne, sich
von ncnem dazu zu erbebe,,, ?>1>? versclnvindet
aber wieder, und Cclia, durch das größere Maß
ihrer Torheiten uud ihr überwiegendes Verhält-
nis znm Helden des Stückes, giltt de» Abschlnß
und den Namen her. Nie Behandlung übrige,,.'
mit Lopes gewöhnlichem Lebe» nnd Sclmmng
der Nede, warm und überreich, so daß, wie fe!,r
auch feiuc Vergleiche und Spitzfiudigleiten >»it-
unter hi»ke» mögen, man doch bei der Schnellig'
kcit. mit der Lopc schrieb, kaum begreift, wie,
ihm das alles im Lauf der Feder einfallen
lunnle.
Von diesem Stücke ist wenig Gutes,5» sagen,
Eiue bis zur Karikatur getriebene Tantl>ar!e,t,
die ini Nömer Furio selbst die uächsteu Pflichten
über dem phantastischen Wettstreit der Freund-
schaftsbeweise vergißt, Nazu die Personen alle
in einer ncblicltt^, All^'üwinheit gehalten, die
außer der augenblicklichen EmpsinMing nichts
Wefenhaftes i» ih»c» zurückläßt, ^>b N'<
ob dieser Leonese Lurieno i» Geschichte oder
Sage als eine wirkliche Person vorkommt. Im
Bejahungsfälle wäre manches zu entschuldigen,
Nas Geschichtliche hat einen geringen Wert für
die Poesie: begründet aber doch de» Unterschied,
daß der Tichtcr bei historische» Personen es sich
mit der Objektivierung etwas leichter machen
kann, da die Wirklichkeit für ihn einsteht. Sollten
es aber erfundene Personen sein, so muß man
denken, daß das Stück etwa für das Theater vou
Leon geschrieben war, wo ein Lokalintcresse
dem allgemein Menschlichen zu Hilfe kam, Taß
Lope außer dem Helden des Stückes nnch die
Gefangene Claudia zu einer Leoneferiu macht.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik