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3. Zur englischen Literatur. 309
stimmt, den Mächten jenseits des Grabes ver-
bündet, hört jedes menschliche Verhältnis für ihn
mn, Mit diesem Pfühle nnd mit tiefem Mit-
leid über das in seinen schönsten Hoffnungen
getäuschte «ind, tritt er zn Ophelicn mit herab-
hängende,i ^triimpfen, unurdeutlichcr Kleidung,
in ieuem iainniernoioerten Znstalidr, deu Ophelia
beschreibt, Wie loahr ist jenes Vild, aus diesem
Gesichtspunkte betrachtet! Selbst der sinnliche
3r>el>, in solchem Zustande der brütenden Ver-
sunk',,heit, hört auf, eine aktive Potenz zu sein,
und verbreitet sich mit einer gewissen passiven
Elnmpsheit über die ganze Existenz, Als er
nnn noch das Zurückziehen Ophelicns nnd das
Auslaueru des Vaters bemerkt, glaubt er wohl
gav beide ini onwerständnis mit seinen Feinden,
und nnn ist sein ganzes Betragen erklärt, Unter
aber eine vorausgegangene höchste Vertraulich-
keit vorausseht, wird es empörend, und Hamlet
Wer in ^phelien die Unschuld nicht erkannt,
der hat noch wenig Unschuld gesehen,
Wenn man Hamlet für gar so kleinmütig und
ist, vergißt man denn, daß, da er Polouius
dnrch die Tapete ersticht, er wirklich glaubt, den
>:.n,ig zu treffen? Nicht ohne Kraft ist Hamlet,
poniert, durch die Schwermut, die, abgesehn
r,',, i/iuer natiiNichen Gemiitsbeschaffenhett, il,n
olnie einen eigentlichen Grund zum hasse, miß-
trauisch gegen seine Mutter und alle Welt, zur
,,,-,!! denn, din'm >uie viel ihm die Tat erschwert
wird, Seine Mntter, zum Teile Mitschuldige
Strasende, sein ^!,ei,n, sein nächster Verwandter,
der in seiner srnlieren Ingend ihm gcn,nß A,I,
tnng gebietend gegenüberstand, Ferner soll die
Tat in der Mitte der Anhänger des Thranneu
geschehen, nnd Hamlet hat sich nicht nnr über
einen geraubten Vater zn betlagen, sondern
töten und dann selbst getötet werden, konnte
Hamlet? Absicht nicht sein. Vielmehr, nach voll-
brachter strafe, die Krone fclbst zu tragen,
fondcrn auch, wenn gleich Gründe für und gegen
ei!n- Wandlung sprechen, vornehmlich aber, wenn
stimmtcs Ziel, Ta arbeiten sich alle Kräfte ab
ieue ^amletc- vlir der Erscheinung deo <^'isi>v
",^all, der Erscheiiinug ist jener Znstand einmal
da, nnd bei wem je derselbe einmal habituell
geworden ist, der weiß, wie schwer man ihn ab-
schüttelt, ohne darnni gerade schwach zu sein,
Äur ein ungemischtes, rein bestimmendes Tat- aber die Tat, zu der Hamlet durch das Gespenst
aufgefordert wird? Wie viel spricht dagegen?
nicht verletzt? Ein solches Tätigkeitsziel kann
einen Schwermütigen nicht bestimmen. So war
die er doch dem Grundsätze »ach billigte, und
blieb es (worüber ihn auch Plntarch hart an-
^estimmnng, Syratus zu befreien, ihn seiner
Schwermnt anf immer cntris;.
Welche Wahrheit in dem Verhältnis zwischen
dig! Antonio dnrch Eharaktercigentümlichkeit,
vielleicht auch frühe Verluste uud Täuschungen,
oder Versäumen des rechten Augenblicke un.'e^
lichen Genusse des Lebens abgehalten, genießt
es in der Person Vassanios, Er liebt/wirbt,
hofft uud leidet mit ihm nnd ist so besorgt,
ihn den Kelch, der ihm selbst versagt war, ja
ganz oliue v>efe trinken zu lassen, daß er, gan-,
iin Widerspruch mit seiner sonstigen unisichiigeu
Tcntuugsart, die leichtsinnige Sorglosigkeit
Vassanios vielmehr bestärkt, I tbink, lie onlv loves
tlis norlcl lor dim, sagt Tolanio Alt II. Szene 8,
In seinen streng historischen Stücken eilt
^Iiatespeare oft sehr rasch über die wichtigsten
hinweg, Ta sie, als unzweifelhaft und historisch
gewiß, sich selbst rechtfertigten und seinen Zu-
schauern geläufig waren, so hielt er sich nicht
lange init ängstlicher Motivierung ans, z, B, im
I, Teil von Heinrich VI, der Übertritt Vnrgnnds
Lin Fehler gewiß, aber einer, dem man im
lnstorischen Trama, wo die Begebenheiten sich
drängen nnd der Ilanm mangelt, überhaupt
schwer entgehen kann. Ist aber auch der erste
inrich VI,) von ihm? Warum nicht?
Vielleicht eine seiner ersten Arbeiten, wobei der
völlig nndranilltische Stoff seines Talentes
spottete. In der Unterreduug zwischen Snffolt
lind Margarctha ist Shakespearischeo genug.
Heinrich VIII, ist ein höchst wunderliches
Stück, Man weis; nicht, ob Shakespeare dabei
des Ganten betrifft gar nichts gedacht bat. Im
ersteren Falle, iüdeni er die Fulmigrnenzcn der
menschlichen Natnr als wirtlich, unvermittelt
aneinander gereibt nnd da^ Amt des Tichters
eben der ^irtlichtcit überlassen hat- leutereö,
dem Gang der Ebroiiik bis anf die Anc-drncke
der >>iud weisend, Tie Spine des >->m,ien ist
denn doch die Geburt der >!önigin Elisabell, nnd
die Reformation, nnd doch ist die einzige lwn.-n.'
Person de>? Stückes die katholische Natliarina,
lind sie stirbt geradezu als eine heilige, indes
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik