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L, Zur Ästhetik und Poetik, 347
s eunde, die danials gleich mir nicht einmal den
^!l>'> oeo WeNi'o kannten, sehr im Zweifel,
Der eine nieinte, die Musik drücke den
russisch türtischen Krieg aus, wo die Posaunen
nud Trompeten des christlichen Ehorals den
Todeömut der Nusscu, und das Zittern der
^wlmeu die Fnrc!,t der Tinten vcrsiuulicht,
odU'olN in Walnlieit die Tiirlen sich nicht sehr
zu fürchten schienen,
Ein zweiter meinte, es stelle den Eisstoß dar,
Zwei andere dachten, der eine anf die Er-
schaffung, der andere auf den Untergang der
Nelt,
Endlich gab uns ein freundlicher Mann,
leider erst am Schlüsse der Ouvertüre, oa^ Pro«
gramm des Verfassers, Nnn erst waren wir
türe bei teiuer späteren '.'!,,sfiihrung zn ver-
Ein alter Herr, der hinter uns saß, meinte
unug des Tondichters ganz zu fassen i aber >ver
luird nuf Leute achten, die hiuter der Zeit zu-
E> lebe der Fortschritt!
Weun man über den Unterschied der sran»
zösischen uud italieuischcn Opernniusit nrtcilen
n>,ll und über das Charakteristische nnd Nicht-
man sich vor allen, auf den 3tandpun!t seyen,
von dem aus beide Nationen das Verhältnis
de-^ wertes zur Musik betrachte», Dem Fran-
zosen soll die Musik die Wirkung der Worte
verstärken, weshalb er auch auf seine Opern-
büchcr viel Fleiß vcriucndet und der Wert oder
Unwert des Gedichtes mehr als zur Hälfte sein
Urteil über die Oper bestimmt; dem Italiener
gelten die Worte kaum mehr als eine Überschrift
über das Tougemälde des Komponisten, weshalb
nuch ihre Bücher schlecht und bloß darauf be-
rechnet find, dem Tonseker Gelegenheit zu cffett»
Es heißt, mau will die Instrumentalmusik
in den Kirchen verbieten, Äamit ist erstens das
zigc geistige Bestrebung, in der Österreich noch
bis vor kurzem in der Welt einen Naug cinge-
nommen hat. Nie ausübenden Musiker werdcu
ilneu Uutcrhalt verliere»! die Dorfschulmeistcr
wcrdcu sich nicht mehr mit den Regeln dcs
^ar,e>5 und der Begleitung beschäftigen, der
testantischcn Norden in eine Neihe treten, Ja,
aber der Papst ist gegen die Instrumentalmusik
iu deu «irelien! Der Papst, desseu Ansehen in
Glanbenssaiche,! allerdings entscheidend isi, t,,,,u
ilalieüische, die Opcruarien und Militärmärschc
i ä h d der heiligen Handlung spielt und da durch allerdings revoltant wird. In Dcntsch-
>and hat mau einen Mrchcnstil, der in seiner
lironen Masse nicht sehr schmeichelt, uud wen»
iu deu Hauptstädten wohl ein Teil der soge-
wegen in den Gottesdienst geht, so fühlt dagegen
in den llcineren Orten der schlichte Einwohner
uii,,l ^hr wollt die Musik wegnehmen? Warum
nicht auch die Bilder? Warum nicht die Pracht
iu der Ausschmückung der Kirchen, der Gewänder
Zeremonie, denen von den Andersgläubigen
eiwao dramatisches, ja Theatralisches vorge-
nicht seiner Knnstgcwänder, der Protestantismus
ist nackt,
Ter Text zur Schöpfung war eigentlich von
ihn in der Folge Haydn zur Komposition über»
gab, ließ van Iwieten, ein großer Mnsitkeuucr,
sich jedes Musikstück, so wie es sertig war, mit
er, n>5 für deu großen Stoss zu kleinlich, V'aydn
fügte sich gern, und so kam jenes cistannliche
Werk zustande, das die kummendcn Zeiten noch
dein Munde eines wohlunterrichteten Zeitge-
nossen, der bei jenen ersten Teilproben selbst
mitwirkte.
Merkwürdig ist die große Vorliebe Napoleons
für die Musik, Große Orchcstcrmusil aber miß-
fiel ihm. Nebst der militärischen, die ihm wahr-
scheinlich die sie begleitenden Erinnerungen lieb
machten, zog er sanfte Musik, italienischen Gc-
gauz dem Genusse zu überlasse» - aber diese
Mnsi! mußte immer gleichsam uon einer Farbe
sein; kein Iustrumeut durfte vorherrschen nnd
nur einen Tonhanch," sagte er oft. Ein sanfter
Ton hatte überhaupt einen großen Neiz für ihn,
schmeichelte, mißfiel ihm selteu, Wenn aber ein
Name übel lautete, so kanetc er ihn gleichsam
zwischen den Zähnen nnd sprach ihn niemals
Menschen die sanfte nnd somit die italienische
Musik jeder andere» vorgezogen haben, Leute,
über nichts denken, als wo etwas des Denkens
Wertes dabei herauskommt. Sie suchen die
Mnsik als ein Besänftignugsmittel; Toren liebe»
Die Poesie will den Geist verkörpern, die
Musik das Sinnliche vergeistigen. Darin lieg!
beider Wesen und der Grund ihrer Verschieden»
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik