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Zur Geschichte und Zeitgeschichte. 367
daß die Negierung, die notgedrnngen die Sache
in die Hand genommen hat, anf derlei Vor-
scl,! igc ,virtlich eingehen werde? Und wenn nicltt,
was ist seine Al,s,cl,t mit jenem Aufsätze? Will
er nur der Eitelkeit seiner Laudsleute sclimei
cheln und seiner eigenen dazu? Tie Lage ist ,--,u
ernst für derlei Spielereien, Oder will er Un-
..,!,!'.icdenheit mit der Regierung erwecken, indem
er sie lnndert, aus dem konstitutionellen Wege
fornngehen, den sie eingeschlagen und, wie wir
,',Ianbc», redlich einhalten will? Will er die
l,^i>,>e Znsammcnbernfung der Neichsstände »»«
möglich machen und Ausnahinsznstände ver-
längern, deren Aushören jeder Nechlsckaffene
wünscht? Das wäre boshaft, uud die Voraus-
setzung von Wahnsinn wäre noch ein Lob gegen-
Glücklicherwcise aber ist Herrn Palackys Gl>
sinuuug nicht die der Mehrheit seiner Lands-
Kartei der germanisierten Tscheche», Nach-
dem sie alles, was sie wissen und können, von
den Teutschen gelernt haben, alnncn sie ilinen,
hciten nach, Teun luoher stammt dicsco >
von Nationalität, dieses Voranstellen der ein
heimischen Sprach- und Altertumswissenschaft
brechen gesteigert haben? Tort ist d>
enrer Slawonianie, und wenn der Vöhme ani
als ein Teutscher, ins Böhmische überseht,
Gliicllickerweisc aber, wiederhole ich, gibt es
noch einen 5crn der Nation, der von diesem
,ene eigeutlicl,eu Tschechen, verständig natür-
liche Menschen, die ihre Sprache reden, weil sic
> X,, il,re Mnttersprache ist, aber auch nichts da-
gegen hätten, sich einer anderen zu bedienen,
allerdings ein hohes Gnt des Menschen ist, daß
aber sein Wert in dem besteht, was er dcntt und
anodriicit. Sie wissen, daß jahrhnndcrtalte Ver°
hältnissc sich nicht anf gntdentsch dnrch einen
läppischen Ellthnsinsiuus über Nacht aufheben
lassen, nnd daß Gleicbbcrechtignng' nicht eins
nnd dasselbe ist mit Glcichgeltnng, so N'ie mein
Eigentnm gleichberechtigt ist mit dem des Fürsten
Liechtenstein, was aber nicht hindert, daß er
eben so viele Millionen besitzt, als icl, Hunderte,
l'> iällt i>,m nicbt ein, ,^ n glauben, daß scin
v^n ein paar ^üllionen gesprocln'ner Dialekt
s,c!, i^ von dein d'mslnsse einer der uier oder
sii'if l!errscl,e,iden ^^eltipracbe» lverdc frei balten
tonnen, nnd ivenn man ilnn sein ^ölnnisc!, dnrch
d>>? Pr>ic>itat ^Inilnsch in den Adelsiand cr!',^n
Iaä,t, lvenn i!,n ein Berliner Sprachgelelirter
als germanischen Stanimveovandten in seine deutsche Familie aufuchmen will. In der Er»
zichnng seines Sohnes endlich hat er nicht Lust,
ihn anf vaterländisches Salz und Brot zu setzen,
wenn hart daneben eine rcichbesctzte Tafel die
nahrhaftesten Epcifen darbietet, noch glaubt er
Vortrag sich vorher aus deutschen Vnchern vor-
bereiten und der Schüler in denselben deutschen
Ich stelle die Sprachfragc voran, weil Herrn
Palackys Begeisterung wesentlich eine neu-
dentsche, d, h, antiqnarisch.Iitcrarische ist. Tas
sie über ihr Unglück jammern.
TaZ traurigste in den Ereignissen der leyten
Zeit besteht nicht in dem Unglück, das sie über
daß der Glaube an die,P»rfektibilitnt derMcnsch-
heit, an die sogenannte Erziehung des Men-
schengeschlechtes dariu höchst wankend geworden
glaubte, kommt der Tag der Prüfling, und sie
steht schlechter uud alberner da, als jemals ^a
sic zeigt geradezu die Erscheinungen einer ab-
Nas ist kein hypochondrischer Pessimismus,
denn es kann allerdings ein Mann oder ein Er-
eignis alles wieder ins Gleichgnvicht bringen.
Aber das Nnternehmbarc nnszer Rechnung ge-
römischcii vor uns ergangen ist, Tas natürliche
Tenten durch ein knnstli^es Gedankenspiel ver-
drängt, die Vorurteile entfernt, aber durch keine
Urtc,Ie ersetzte die Empfindung nnr noch in der
^ewsisncht lebendig; Autorität und Vertranen
geordnet: wo wäre da noch ein fester Puutt,
an den man den Hebel für ein Emporziehen des
Vcrfnnkcnen ansetzen könnte? Am übelsten daran
ist Frankreich durch seine moralische und Teutsch-
land durch seiuc geistige Verworrenheit, ^a
keit machen kann, aus der Ehrlichkeit aber —
selbst diese den Teutschen zugegeben — ewig
keine,i Verstand, Wie die Teutschen dazu
der hohen Stufe herabzi,steigen, die sie erreicht
zu habeu glauben, uud die Sacl,e wieder anzu-
fangen, wo Lessing und Kant lind Goethe sic
sagnngsgabe. Ein Mann, ein Mann! ein stönig-
reich für einen ^iann! In einer gleich prekären
Lage befinde» fich aber Nußland und England,
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik