Page - 375 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II

Selbstbiographie. 1791—1336. Ich bin zu Wien am 15, Jänner 1791 ge- boren. Mein Vater war Advokat, ein streng rechtlicher, in sich gezogener Mann, Na seine Geschäfte und seine natürliche Verschlossenheit ilnn nicht erlaubten, sich mit seinen Kinder» viel abzugeben, er auch starb, ehe ich volle achtzehn Jahre alt war, und in den letzten Jahren seines Lebens Krankheit, die gräßlichen KriegSjnhre und der durch beides hcrbeigcsMrle Versall seiner häuslichen Umstände, jene Verschlossen- heit nur vermehrten, so kann ich von dem Innern seines Wesens mir und anderen keine Nccheuschaft geben, Sein äußeres Benehmen hatte etwas Kaltes uud schroffes, er vermied jede Gesellschaft, war aber eiu leidenschastlicher Freund der Natur, Früher einen eigenen, später einen gemieteten Garten selbst zu bearbeiten und Blumen aller Art z« ziehe», machte bei- nahe seine einzige Erheiterung aus. Nur auf Tp.iziergängc», bei denen er auf unglaubliche Entfernungen manchmal die ganze Familie, Imnjig aber auch nur mich, noch als Kind mit» »ahm, wurde er froh und mitteilsam, Wenn ich mich erinnere, daß es ihm bei solchen Spazier- gängen am Ufer der Nonau Vergnügen machte, d ,i Inseln in, Flusse, nach Art der Weltum- segler, selbstgewählte Namen zu geben, so muß ",i> glaube», daß iu früherer Zeit die Regungen d r Phaulafie ihm nicht fremd gewesen sein muffen, ja noch später, in den Jahren meiner Lesewut, konnte ich ihm kein größeres. Ver» gniii^n machen, als wen» ich ihm Romane, aber ausschließlich Ritter- und Gcistergeschichten, zu< trug, die dauu der ernste Mann, am schwedischen Ofen stehend und ein Glas Vier dazu trinkend, bis in die späte Nacht hinein las. Neuere Ge» schichten waren ihm wegen ihres Konventionellen zuwider. Meine Multcr war eine herzensgute Frau, Plagte sich mit ihre» Kindern, suchte Ordnung herzustellen, die sie, die Wahrheit zu sage», selbst »icht gar genau hielt, und lebte und wcbte in der Musik, die sie mit Leidenschaft liebte und trieb. Ich war der älteste uun drei Brüdern, zu dcnen erst spnt, als ich schon ziemlich erwachsen war, ein vierter hinzukam, Mn» hielt mich für den Liebling meines Vaters, obwohl er mir nie ein Zeichen davon gab. Im Gegenteile unter- hielt er sich am liebsten mit dem dritte», der iliu, von Geschäfte» ermüdet, durch unschädliche Wunderlichkeiten in seinem Entwickelungsgänge, erheiterte, Ter zlueite war ihm durch fein trutziges und störrisches Wesen beinahe zu> Wider, — Überhaupt kau» ma» sich verschiedenere Charaktere als diese drei Brüder nicht denken, Vu» dem zweite» ist schon die Nede gewesen.