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376 VI, Piographischcs,
T:i dritte war ein bildschöner Knabe und des-
halb von den Weibern verhätschelt, Ha »u» zu
gleich »n'me Mniter, luenn der Karinen zu arg
wnrde, lcin Mute! w»s;te, als die Schuldigen
zn sich zu rufe» uud, in Form von Strafe, zu
verhalten, an einem Strumpfband zu stricken,
so hatte der jüngste die ^achc ernsthaft ge-
Er hatte sich drei Ecken des Zimmers mit ge-
dachten und auch benannten Franc« bevölkert,
denen er wechselweise Besuche abstattete, Mcin
Vater, abends im Zinimcr auf und nieder gehend,
versuchte ihm aus) sür die vierte (icke eine vierte
Frau aufzudringen, die aber, da der vorge«
schlagcnc Name den Spott gar zu deutlich au sich
trug, der Knabe durchaus nicht akzeptierte,
zugleich sich von jeder Vekanutfchaft abschloß,
wuchs ich in völliger Vereinzelung heran, Uni
das Formlose und Trübe meiner erste» Jahre
ll'greiflich zu machen, muß ich sogar unsere
Mein Vater, mit der Absicht zu heirateu um-
gehend, suchte Quartier, Einmal abends bei
cmem Bekannten zu Gaste, kann er nicht sertig
werden, die Wohnung des Wirtes zu loben,
Zwei ungeheuere, faalähnliche Zimmer, den Zu-
gang bildend ein minder großes, ganz geeignet
sonstigen "Bedarf,
Seinen ausgesprochenen Wünschen kommt der
Inhaber der Wohnung mit der Äußerung ent-
gegen, wie es leicht ici, sich den Besitz alles
dejscn zu verschaffen. Er selbst habe die Woh-
nung aufgcküudet, und uutcr den Geladene» be-
finde sich der Hausherr, mit dem er sogleich
spreche» könne. Gesagt, getan, Nie Männer
geben sich den Handfäilug, und mein Vater hat,
was er wünscht. Er hatte bemerkt, daß die Fenster
d.'r Wohnung nach zwei Leiten gehen. Was luar
also natürlicher, als daß die eine Hälfte die
Aussicht auf die Straße, den „Bauernmarkt" hat
und die andere in den ziemlich geräumigen Hof
des Hauses, Vei späterer Besichtigung aber fand
sich, daß es mit der Aussicht in den Huf aller-
dings seine Richtigkeit habe, die zweite .Hälfte
von dessen Existenz sogar viele Menschen in
Wien gar keine Kenntnis haben.
In diesem Hause wurde ich ggboren und ver-
lebte inciue ersten ^üiadenjahre. Finster und
trüb waren die riesigen Gemächer, Nur in den
längsten Sommertllgcn fielen um Mittagszeit
einzelne Sonnenstrahlen in das Arbeitszimmer
frentc» uns an den einzelnen Lichtstreiscii am
Fußboden,
» Ja auch die Einteilung der Wohnung hatte
etwas Mirakulöses, nach Art der uralten Häuser
war es mit der größten Raumucrschwendung ge-
baut, Tas Zimmer der Kinder, das jo «ngc- heucr war, daß vier darin stehende Betten n,,d
ein.ige Schränle lanni den Nanm ;u velvn,i>',i
i>l>i,!,c,,, empfing sein Licht nur dnvch einc ->>>,>,^
von Glasseiistern und e,m'r ^la^lür von einem
Heine» Hose auf gleicher El'ene nul dem ^innm'r,
also wie das Zimmer selbst im erste,i Sw>!w>'>!e,
Tiefer Hof war uno sin'nq oi'lipcirt, waln-
schcinlich infolge einer Konvention mit dl'ni
grämlichen Haushcrru, der deu Lärn, drr >>,nd>^
scheute. Hierher verlegte» wir in l^'dank-n
unsere Luft« und Sommerfreuden,
Nächst der Küche lag das sogenannt
gcwülbe, so groß, daß allenialls ein mas',>^>'
.Haus darin Platz gehabt hätte. Man konnle es
nur mit Licht l>>tr^len, dcjsl'n 3lral,l üln,^,,-,'
bei weitem nicht die Wände erreichte, Ta lag
Holz aufgeschichtet, Vo» da ,11,,, '^n !n>>^n,^
Treppen in einen höheren Nnum, der Ein-
richtungsstücke uud derlei Entdclnüchl'i' vei,
wahrte. Nichts hinderte uns, diese sämln'rlnln'»
Räume als mit Nänber», Zigenner», oder >vo!,l
gar Geistern bevölkert, zu denken, Tas Tcliane»
liche wurde übrigens durch eine wirtliche, lrl>> ,,dc
Bevölkerung vermehrt, durch Ratten !,>,m!,>l,,
die in Unzahl sich da hernmtricben, uud von
deucn einzelne sogar de» Weg i» die ^i,,!,>-
saudcn. Ein bei uns lebender Neffe meim'-.'
Vaters uud mein zweiter Bruder begaben sich
nianchnial, mit Stiefelhülzcrn beivaffnet, auf die
Rattenjagd, ich felbst tonnte »,ich iaum ein Paar-
Gang in ein bis zu einem fremden ,vaufe rrilln n>
des, abgesondertes Zimmer, das die itochi» be>
wohnte, die infolge eines Fehltrittes mit drin,
auch Schreibcidienste leistenden, Nedientcn ver-
heiratet war, welche beide dort eine Art abge-
sonderten Haushalt bildeten, Tie lmitt'n ein
Mädchen, als Magd der Magd, ?er Antritt zu
sauberen Kind, we»» auch uur ini Tnrchgange
erschien, so kamen sie uns Uor, wie Bewohner
eines fremden Weltteiles,
In den ersten Jahren seit dem Erreichen
meines Bewußtseins wurde das Traurige unserer
gemeinschaftlich mit seiner Schwiegermutter uud
Enzersdorf am Gebirge kaufte, daö Raum genng
bot, um drei Familien ganz abgesondert von-
einander zn beherbergen, Tas beste daran war
ein weitläufiger Garten, in dem mein VMli,
wenn er von Samstag Abend bis Montag
Morgen hinauskam, seiner GäNncrlust nachhing,
Für uns Kinder wurde der Genuß dieses
Gartens durch einen — wie es uns damals vor-
kam — sehr großen Teich gestört, der sich an
einem Ende desselben befand n»d der, ubwo!>l
man ihn mit einer schwachen Barriere eingefaßt
hatte, doch eine immerwährende Gefahr des
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik