Page - 388 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
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VI, Vioqraplnscke-',
bei letzterem Lavoisiers, damals nenes, ^»steni
der Chemie, Der fremde Herr mochte wohl
glauben, ein paar Wahnsinnige vor sich zu
haben,
Tiefe mitunter höchst gesteigerten Ideen
lichstcil Kindcrftosscn hcrabznstcigen. So besasi
der jüngste Bruder unseres Freundes Pepi
(Joseph) Wohlgemut!), Muckeil (Johann von
'.'l'epoiüuck) genannt, indes die älteste Schwester
^,'avcrl (Frauziska Xaveria) hieß — ein kleines
Kindertheater, mit dem cr sehr »ugeschictt ha»
ticrte. Wir beschlossen, ihm zu Hilie zu komme»
Stc>»pclche» versehen wurde». Wir Atademiker
teilten uns in die Nolle», Selbst der pedantische
kolossale Kaufmann übernahm die Partie der
Greise, wo wir ihn dann unausgesetzt auslachten,
Liiu-r Freundin der Tochter des Hauses, einem
zu. Der kleine Mnckcrl, der die Figuren diri-
schaft die größten Stücke auf. Ich verliebte mich
pflichtschuldigst in die Liebhaberin, welche schon
versprochene Braut war, und da sie eben deshalb
mit Argnsaugen bewacht wurde, gab es auch
außer den Theaterabenden die lustigsten Ver-
wickelungen, Die iu den Stücken vorkommenden
Umarmungen und Küsse wurden in dem durch
Verhältnis ging schon in das höchst Bedenkliche
über, als das Studcntenmädel — diesen Spott-
namen gaben ihr die erbosten Verwandten —
in die projektierte Heirat hineingejagt wnrdc,
was mich übrigens nicht sehr anfocht, — Auch
allem aber weibliche» Geschlechtes, und doch bin
ich nicht älter als 62 Jahre,
Der Haupthcbel uuserer pseudodramatischeu
Unterhaltungen war der .Herr des .Hauses, der
alte Hofsekrctär Wohlgemnth, ein großer Freund
uud täglicher Besucher des ^eopoldstädtcr
Theaters, Er veranlagte uns anch zu einem
Versuch auf ciuem wirtlichen sogenannten Haus«
theater. Wir führten zwei kleine Stücke auf,
iu deren einem ich einen Offizier spielte, Ich
weiß nur, daß mir zumute war, als ob ich
allein ans einer Insel im Weltmeer mich be-
fände, selbst die Mitspielenden schienen mir un»
endlich entfernt. Ich habe nur noch ei» ei»
ziges Mal später etncn zweiten theatralischen
Versuch gemacht, auch damals aus Gefälligkeit,
Leistungen zufrieden war, Die Fortsetzung jener
ersten Darstellung scheiterte au dem gänzlichen
des Hanfes, Obwohl cr nur eine» Bedienten zn spielen hatte, so niurmclte er doch seme
wem,-,!-,, Worte so unverständlich, das, sei»
!>>ealcrl!l'l'c>,der Vater — obgleich da,-- ^ln,i,
wie natürlich, indes weiter gespielt hatte -^
doch hartnäckig verlangte, er fülle »ocl, euinnil
heranstreten »,,d fl'nn' Rolle oerstmidlich vor
Dieses sorglose Schlarafsc»lcl>c» sollte übri-
gens bald gestm't »'erden, Mein Vater, der
zu klänlel», d'm scheinbar »»bed','»N'!,d>
wnrdc von einem Anhänger der Bl'0w»>!>l>> n
>v,!,m'!lwdc — unser eigencr Arzt, dcr i» W,e»
berühmte Or, Closset befand fich fell.st lia»!
mit drastischen Mitte!» behandelt, nnd a>v
Clossei nach vierzehn Tagen selbst die >!»r
übernahni, erüarle er schon nach dem elsll!!
Be>»c!,e ln'imllch »,einer Mutter, dac> ^'eide»
habe f,ch auf der Brust festgesetzt, e>> sei e,n
organisches Übel vorlianden. Da niei» Vaicr
aber das sechsundvicrzigste Jahr fchon
^,,!>ll,!te Gefahr erschütterte uus, >oie »atiil-
lic!>, alle sehr. Ich blieb mehr zu Hause mid
suhlte mich auch soust melancholisch gestimmt.
Da erwachte plötzlich die Neigung zur Mufik
in mir.
Ich habe schon erMlt, wie mir i» den
leidet wnrde. Diese Abneigung »al,», »,,! d^,,
Jalne,'. zu, ohne darum eine Äliueig»»g gege»
die Musi! z» sei». Denn nlc- i»ei,i
Brndcr, der überhaupt teiu Fre»»d dlil !.'erucus
ebensowenig lernte, als bei dem zilauiernieist^,
uahui ic!> bei jeder Gelegenheit seine Violine znr
endlich mit dein Meister leichte Tnetteu, 0>me
je die geringste Anweisung erhalten zu habeu.
Der alte Deabis, so hieß er, schrieb im, >ül
großes Talent zu uud beschwor nieiiie ^lter,,,
mich fortfahren zu lafsen. Es wnrde aber ver-
weigert, ja mir die Violine ans der ,va»t> q^
»o,»»ie» nnd, da mein Bruder doch nichte lcv,i!,',
jähren eine Anlage zum Verwachsen zeigte,
welche durch die emporgehobene Schulter bei
Aehandlnng der Geige vermehrt werde» kouute.
Hatte doch »n'iue l'irußmntter, als sie mul, ans
jene Befürchtungen hin körperlich untclimlitc,
den Ausspruch getan: „Ja, er wird bmliol,,
aber es schadet nicht, da er doch b'<>
werdeu will," Glücklicherweise ist beideo »icht
Die vcrlucigerte Violine machte mir das
Klavier noch verhaßter, Demungeachtet mußte
ich au dem Unterricht teilnehmen, de» meim'i.i
Mitte» Vv»der nnd »nr — nachdem n»ier erster
Meister Gallus längst wieder nach ^oleü ^niic!'
gelehrt war — eine wunderlich anfgepuyte, sm',st
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik