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VI. Biographisches
donnerten, die (Granaten sich in der Lust kreuzten
und die Stadt an mehreren Qrtcn brannte,
i^ußtc mein Vater, der mich allen diesen kugeln
nächsten Morgen, nach llbergabe der Stadt, er-
schien nieine Mutter unter anderen Angehörigen
anderer weinend auf der Bastei und beschwor
n,ick, doch sogleich nach Hause zu toniinen und
uieinen Vater von meinem Leben zu überzeugen,
Er empfing mich ganz kalt, ja es war, als
ob cr einen Teil seines Unwillens auf mich
um'i trüge.
schiesznng betrisst, so war sie nicht besonders
mutig, aber anch nickt furchtsam, ^- Ick, >i>'s!
eben die Tinge gewähren. In den lctztver
flusfenen Tagen, als >vir mit unser,
zeichen auf den bitten in den Straßen Heruni
gingen, fühlte icl, sogar Anuiaiidlnng von
Heldenmut, Tiefer Änfschwung wurde jedoch
ziemlich herabgedrückt, als jemand die (unwahre
Nachricht mitteilte, die franiöjifchen «ürafsiere
trügen nach neuer Einrichtung außer den Har
nisäieu anch Armschienen, Tiefer a,i sich gleich
güllige Uinsiand ,nacl,te einen höchst ungünstigen
Eindruck auf mei,,e Phantasie, —
An, eiitsclieidenden Tage felbst führte man
uns mit einbrechender Nacht auf die Basteien
und kündigte uns das bevorstehende Vombarde-
mcnt an, Ta war denn allerdings ein gewisses
Schwanken in unseren '!>e,l,en siclnbar, das nicht
vermindert wurde, als die erste,i Vrandkngeln
hart ober nnsern Häuptern in die Tachfenster
des hinter uns befindliche,i Palastes des ,^ er>
Nachdem aber später die FranHoscn — wie >vir
glaubten, ans Ungeschicklichkeit, da wir unsere
Personen sür ihr einziges Ziel hielten — ihre
Würfe höher richteten, und die zuigeln weit von
uns wegfielen, verbesserte sich unferc Stimmung
sichtlich. Tie in der ^tadt entstehenden Feuers
drünste, uo» denen U'ir nur deu Widerschein
in den Wolken sehen tonnten, dielten wir für
eas Aufgehen des Mondes und freuten uns,
bald die ganze Szene überblicken zu können,
Ebcnlo schienen uns die von dem Flackern der
Flamme bewegten Schatten sämtlicher Stangen
und Pflöcke im Stadtgraben ebensoviel wan
delnde Franzosen zn sein, und wir gaben, da
l'.n'r uns eine Belagelnng ohne Sturmlanfen gar
uicht denken konnten, wiederholte Salven ans
unsern Musketen, wodurch die auf einem nie«
deren Parapet unter nns aufgestellten Land'
gericlen. ^ Ich »nachte das alles mit, mit Ans
u.ihme der furcht, Tennoch, als mein Neben-
mann nnd Mitfchüler, ein sonst höchst stiller und
ruhiger snnger Mensch, mit Deftigkeit verlangte,
außer den Mauern dem Feinde im freien Felde
entgegengeführt zn werden, bemerkte ich, nicht
ohne Vedächtlichteit, wie es ein Unsinn wäre,
ungeübte Truppen, gleich uns, einem kriegser-
fahrenen Feinde gleich ans gleich gegenüber zu stellen, Tie Nachricht von der Übergabe o"'/
Stadt erfüllte nns nut Unwillen, Icl, machte
de,u meinigen dnrch einen uur haldgefüliüen
Nusfall gegeu unfere Bürgerfckiaft Lütt, denen
ihre Tächer lieber seien als ihre Ebre, ein Wort,
das so>ile>>l! von iinsereni Änsiiliier, einem bild-
hübschen jungen Kauallerieofsizier, mit dem Arm
in der Binde, aufgegriffen wurde und die g>ii!>e
iloinpagnie wiederholte. Im ^>ru»de >N>er Ivaren
ivir alle froh, wieder nach Hanfe zu tommen,
nm fo inehr, als wir seit sechzehn oder acht;el,u
Stunden nichts genoffen hatten, —
'.'llle l?iefe Tinge, u>oiu »oä, ökononiifche Ver°
legenlieiien tainen, griffen die l'>ef»,,dl,eit meines
Vaters ungeheuer au, Ich ln-sine noch sein (5in
slchreibbnch, in das cr (5i,,„ahmen nnd Ausgaben
mit den steigenden Preisen fortwährend wnchseii,
fielen die ^inualmien stnsenweise bis zum >!n
bedentendei, herab, b,s er ,„ den leine,, Mo
unten mit unsicherer ,^and! Nihil einschrieb ^r
innsite sogar ein Tarlelien anfnelnnen, er, für
den ^chnldenmacher nud Tieb gleichbedeutende
Worte waren, —
Tie Stadt vom Feinde beseht zn wisse», war
ihn, ein Greuel, nnd jeder ihm begegnende Fran-
zose ein Tolchftich, lind doch ging er gegen
se,ne ^ieivolnilieit jeden Abend in den ^tränen
spazieren, aber nur, um bei jedem Zwist zwischen
Franzosen nnd Bürgern die Partei des Lands
niannrs ;n nehmen nnd ihm gegen den Fremden
beizustellen. Tie Schlacht von Äspern war 51 l
dem >>r>-chlomnien seines «öiperziistandes nur
allzu sichtbar war.
Ich selbst war kein geringerer Fran^oie,,
feind, als mein Vater, nnd demnngeachtei zog
Napoleon mich mit magischer Gewalt an. — Mit
säumte ich doch teiue feiner Musterungen in
Schünbrnnn und anf dem Felde der foge^
nannten Tchmelz, — Noch sehe ich ihn die Frei-
treppe des Schünbrnnner Tchlosses nielir herlN"
lanfen als gehen, die beiden »ronprinzen von
Ballern nnd Württemberg als Adjutanten hinter
Meisters überschauend. Seine ttestalt ist mir
noch jetzt gegenwärtig. 2eine Züge haben sich
leider mit den vielen gesehenen Porträten ver-
mengt, (kr bezanberte mich, wie die Schlange
den Vogel. Mein Vater mochte mit diesen un°
patriotischen Exkursionen wenig znsricdcn sei»,
doch verbot er sie nie.
Abschlnß des Preßbnrger Friedens. Mein Vater
war damals schon genötigt, den gröszten Teil
des Tages das Bett zu hüten. Wir verbargen
ihm das Ereignis nach Möglichkeit. Er mockue
aber doch Kunde davon erhalten hnbcn, de,ni
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik