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VI.
Schreibpult, das sich von selbst hi» und her
schob, ich glaube, daß selbst der Nachttopf, allcn-
salls durch den Truck eiiier Feder, sich ,-,iim
(!)ebla>il!,e darreicht.', Gentz empfing mi>l> lall,
gegeben. Ich giug, Neuer ^lreislaiif, nene
llugeil'ißheit, zuletzt Verschwinden aller weiter»
Spur,
In welche Lage mich das seltte, laiü, jedee
loiial patriotische Anstände fand, !vas n>ar irgend
fönst durchznbringcn,
3a !a,n endlich Hilfe von einer Seite, wo
man's am wenigsten erwartet hätte, ^!
^niferin^Muttcr, damals regierende Kaiserin,
dcfaud fich unwohl, Ter Ticltter Matthäus
Eollin, einer der Lehrer des Herzogs von ^lieicl,
Ta ersnibt ihn die gebildete Frau, ihr Bücher
zur ^eüurc vorzuschlagen, Er nennt ihr einige
^>'.i!>', die sie aber bereits kennt. Gehen Sie
doch znr Theaterdirektion, sagt sie ihm, und
fragen Sie an, ob nicht irgend ein interessant«
Memustript vorliege, bei der tünstigen Auf
s^lnuug werde ich es mit doppelten» Anteile
sebeu. Eollin geht zur Theatcrdirettiou und
rrsäbrt, daß nichts als unbcdentende Bluene,,
da seien, die erst durch die Aufführung einen
Wert bekommen, ilönig Ottokars Glück und
seinen Weg auch znr Zensurshofstelle, und als
man dort den Zweck der Nachfrage erfährt,
ist das Stück augenblicklich gefunden,
Eolliu liest cs der Kaiserin vor, die nicht
genug erstaunen kann, das; man das Stück ver»
bieten wolle. In dem Augenblicke tritt ihr
(bemahl ins Zimmer, Tie Kaiserin teilt ihm
ihre Verwnndernng mit, nnd >uie sie in dem
Stücke nichts als Gutes und Lobliches gefunden.
Wenn sich das so verhält, sagt der Baiser,
so mag Eollin zur Zensur gehen und !a>ie,,,
daß fie die Aufführung erlauben folle, Lollin,
labe auch ich ihn erfahren, lind so bedürfte
<>'- eines Zufalls, um eine Arbeit, die mir, alles
andere abgerechnet, eine melir als sahrelauge
Caniniler-Mühe gekostet, nicht aus der Neih>> oei
2inge verschwinden zu lajieu
Man ssiug nun au die Aufführung, Anschütz
nahm die kleine Rolle der Margarete, (is fanden
erinnere ich mich der ^uuderücliteii, daß Her-
teur, der Darsteller des Nndolf von .vabsburg,
der alles bildlich nalnn uud wegen Unpäßlich
teit der Leseprobe nicht beiwohnen tonnte, als be^iiüele, anlüelt, »,n niich über seine Äiis-
!afj'u,,g der Nolle zu Nate zu ziehen, ^>'uu,
nnd wie wollen Sie den Rudolf spielen? frag'.e
ich, halb Kaiser Franz nnd halb heiliger
Florian, war seine Antwort, Sehr gut, l'el>
teur gab seine Rolle höchst befriedigend.
Als der 3aq der Aufführung knin i!ü,
Februar 1,^,',', gab es eiu «^dvauge, oesgleichen
nian iin ,vo!l'iii>i!l!e>iler weder früher noch
naier erlebt hat, Leider konnte ich die ^'hre
di.',Vs ^,ulaufs nicht bloß mir anrechnen, es
>var vielnielir das Gerücht, daß das Stück rwn
Publikum die Aussicht auf einen allfälli>ien
Skandal eröffnete. Als nnn alles höchst lohal
und uuverfänglich ablief, selbst die Versuiln',
längst vergangene Ereignisse an neue uud an
gegenwärtig lebende Personen anznlnüpsen,
uii!,t recht gelingen wollten, sah man sich in
>!iil',u ?eile feiuee (5r>val!ungen getäuscht. Zu»
>',!eich ivar die Forin des Historischen damals
glücklicherweise »och nicht geläufig, man hatte
Mangels des Naumes auf die Spihc getriebenen
Situationen schienen iibeNri.'ben, man vermißte
die stetige Folge des Natürliche», Nas P>,I>!i
lnui !vai uinulich selbst noch natürlich, es balle
noch uicht jene volie eNloniuien, auf der ihm
uichts gefällt, als was ihm mißfällt, der Zu»
tlatfcht^ oder vielmehr, da das Gedränge das
stampft, aber ich merkte wohl, daß der Eindruck
nicht lebendig ins Innere gedrungen war, Lcr
'^eii^Il erhielt sich bei allen Wiederholn,igeu,
dcmuugeachtet war es, als ob das Stück duni^
gefalle» wäre, wenigstens wichen mir alle
Freunde und Bekannten aus, als ob sie ein
Gespräch über das neueste tbeatralische Vreig»
nis gefürchtet hätten. Am übelsten waren die
Bewunderer meiner Sappho zu sprechen, sie
andern galt, als ob sie von der Verschiedenheit
der Stoffe gar leine Vorüeüung hätte,i, und
ich entfernte mich aus den wenigen Häufeni,
die ich bisber besucht hatte, nm nnr nicht fach-
kundige ^inwenduu,)en in einem fort berichtigen
zu müsse,.
Was bei den übrigen heinilich ruinorte,
sprachen in höchster Entrüstung die in Wien
lebenden Böhmen aus, Nie tschechische Nation
ist gewobut, den >iönig Ottokai als den Glanz»
punlt ihrer »beschichte v>> betlachten, Talin
haben sie gan-, reän^ we,in sie ihm aber durch»
aus löbliche Eigenschaften zuteilen, fo widerlegt
fie schon der Umstand, daß seine nene» Unter»
tanen sich gegen ihn gcwend.'t nud seine alten
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik