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VI, Biographisches.
ihn verlassen haben, Ini ganzen dürfte meine
Auffaffung auch historisch ziemlich richtig ge-
wesen sein, Neun ich ihm etwas Zufahren»
des und, wie ich es oben genannt, Wachstuben»
mäßiges gegeben hatte, so war es, weil mir
der Kaiser Napoleon vorschwebte; man tanu
aber nicht sage», daß Ottotar nicht so gewesen
Die Aufzeichnuugcn über ihn sind höchst dürftig.
Indem ich vorzugsweise österreichischen Quellen
folgte, geriet freilich — was übrigens fchon
Hauptfigur etwas ins Dunkle, aber vor ein
paar Jahren hatte man ein Stück: „Ottokar"
von Kotzebue aufgeführt, iu dem der Held zu
eincr Ait ilinderschreck gemacht war, ohne daß
Die Stimmung der Böhmen erzengte sich
übrigens nicht ohne Aufhetzerei, und die Fäden
gingen so ziemlich auf eine» Staatskanzleirnt
böhmischer Abkunft zusammen, der wohl auch
der Zensur zugeteilt, weil, wie man glaubte,
seine Unfähigkeit dort den geringsten Schaden
anzurichten vermöge, Uni ihn und die Art,
wie damals das Zensoramt ausgeübt wurde,
führen, obwohl er mich selbst nichts angeht,
Baron Hormayer, dem es nicht an Verstand
und Witz, wohl aber an Ncchtschaffenheit und
eigentlichem Fleiß fehlte, hatte für fein ci^'m'o
historisches Taschenbuch einen Aufsatz, Philippinc
dachten staatskanzleirätlichcn Zensor in die
.Hände kam, erklärte er, darüber nicht aburteilen
zu können, Da es sich nm eine Mesalliance
in dcni kaiserlichen Hanse handle, müsse vor
allen der Chef des Hanfes, der «aiser selbst,
befragt werden. Das ist allerdings richtig, v«
setzte Hormayr, wenn Sie den Erzherzog
Ferdinand hindern wollen, die Philippine
Welser zu heirate». Sollte aber die Heirat
schun vor dreihundert Jahren wirklich vor sich
gegangen sein, so sehe ich nicht ein, was der
Chef des Hauses noch dazu oder davon wcg-
mischen Studenten in Wien ausging, setzte sich
aber auch nach Prag sort. Ich erhielt von
dort nnuiiyme Drohbriefe, von denen ich noch
cinen aiisln-wahve, wo schon auf der Adresse
die Grobheiten ln'iiiiincn, indes im Innern mit
der .Hülle als strafe für meine teuflischen Ver-
leumdniigen gedroht wird. Es ging so wcit,
daß, als ich im nächsten Herbste eine ^isc
nach Teutschland beabsichtigte und dabei 'l.-rag
als eine der interessantesten Städte nicht über-
gehen wollte, meine Freunde mir ernstlich ab-
ri'ton, weil sie von der gereizten Stiinmmni
eine Gefahr für mich befürchteten. Ich ging
trotz Slimmnug nnd Warnung über Prag und habe während eines dreitägigen Aufenthaltes
wohl schiefe Gesichter gesehin, aber sonst nichts
Unangenehmes erfahren,
gefülUes waren, so weh tat es mir andererseiis,
gerade des Löblichen der Grundlage wegen,
ohne Absicht Anlaß gegeben zn haben, daß ein
zu einer Vernnglimpfung und Beleidigung fol»
mnliere. Ich wußte in der Tat nicht mehr,
was ich tun follte. Wo ich hintrat, stieß ich
an, nnd wo ich Tank erwartet hatte, machte
seinen Ländertomplcx zwei der eitelsten
Nationen dieser Erde einzuschließen, die Böhmen
nämlich und die Ungarn, Tamals schlummerte
diese Eitelkeit nuch uud war in dem Streben
die Deutschen zur Wahrung ihres National»
charalters ermunterte, sondern ihnen einen ganz
neuen Charakter anbilden, sie aus cineiü
ruhigen, verständigen, bescheidenen und pflichi-
schlingern machen wollte, da übersetzten
Tschechen nnd Magyaren die deutsche Albernheit
unmittelbar ins Böhmische und Ungarische,
cnlüttcn sich originell in der Nachahmung und
crzengten i>nc ^d«u>,'«wirrnng, die im Jahre
ein Volksstanim kein Volk, sowie ein Idiom
oder Tialctt keine Sprache ist, nnd wer nicht
allein stehen kann, sich anschließen mnß.
Da ich bei der damals in Deutschland Herr»
schenden Erbitterung gegen Österreich nicht
hoffen konnte, für nieinen durchaus österreichisch
gehaltenen Ottotar einen Play auf dcn übrigen
ini Trnck erscheinen lassen, wo sich das Mert»
würdige begab, daß mein Verleger an einen«
Tage, dein der Anfführuug nämlich, nenn»
sich freilich in der Folge ins natürliche Vcr«
hältnis zurücklenkte.
Als von einem gedruckten Stücke, für das
man daher leiu Honorar zn bezahlen brauchte,
bereitete auch eiu zweites Wiener Theater, das
daß der mit der Rolle des Ottokar betraute
Schauspieler, der jetzt in Perlin engagierte Herr
gl'snigen Erfolg, vor allem aber über die Art
jxiglc, wie Anschntz dcn üttolar gclialten habe,
Ä!-i diefer ihm sagte- streng, heftig, hart, er»
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik