Page - 428 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
Image of the Page - 428 -
Text of the Page - 428 -
VI, Biographisches.
hervortrat, indes sie bei Napoleon sich jedesmal,
und nur zu sehr, verdunkelte.
Vou da machten wir uns auf dc» Weg nach
Leipzig, Solauge mein Geld währte, bestrit!
ich die Pvstpferde und die sonstigen Au>!ag>u
?'.uf der Hälfte unserer Reise aber meinte ich,
daß nun die Reihe an meinen Gefährten ge-
seitigcn Schrecken, daß er ohue Grofchen Geld
r.ieine Barschaft überzählt hatte, fand ich, daß
sie iür die halbe» Reisekosten hinreiche, nnd
d.'schloß, erst iu Leipzig von meiucm >l>edn
brief Gebrauch zu machen. Mein Graf, der
sein Geld in B^nii, vertäu hatte, zwcis>'>,> ,^,ll>
meiner Äußerung bei der Seidlcr nicht, daß
ich damit verfehen sei, nnd beschloß rch> cdc!
män,lisch, nieiu Schuldner, bis Leipzig zu
bleiben. Nun war Not am Manu, und mein
Reisegefährte mußte seine», wie es sich zeigte,
höchst baufälligen ilredit anstrengen. Er
fand aber doch als in seinem Vaterlands nud
einer der beste» ssamilien Sachsens angehmi,i,
einmal einen Postmeister, der ihm Pferde ans
künftige ^ahlnng gab, ein andermal je»,and,
Tort war Messe uud die Stadt überfüllt
Mein Graf verschaffte mir aber ein Ltübchen
Dichter ans Wien empfahl. Der Wirt aber
kannte keinen Wiener Dichter, als den Spaß-
Aufmerksamkeit. Ich ließ mir das nach dem
Vcspasiauischen Wahlsprnch gern gefallen und
befand mich fchr wohl dabei.
In Leipzig lernte ich den Professor Wendt,
der mir durch die Verwechsluug seines ^ameu^
niit dem ähnlich klingenden West die Bekannt-
schaft ^chreyvogcls verschafft hatte, und den
Iustizrat Nliimmer, einen kenntnisreichen und
sogar kunstverständige!! Mann, leime». Mit
Je näher die Zeit meiner Abreise heran-
Es ging nun nach Weimar, Einerseits freute
Grad für Grad in mir selbst zusammen llbli-
gens mußte es sein, uud ich fuhr in der
Landkutsche ab. In Wcißcnfcls, wo der da
nials als Dichter und Kuustrichter geschätzte
und gcfürchtete Adolf Mülluer wohnte, hielten
wir Mittag, Ich fuhr weiter, ohne ih» zu
besuchen, obwohl mich sogar der Kellner in
Wirtshaus«? dazu aufforderte, mit dem Bei
sahe, daß der Herr Doktor sehr gerne Fremde bei sich empfang. ?^r Mann hatte sich gar
zu niederträchtig gegen mich venommen.
Müllners ^l.'v!'>',! wni^'üe nicht, daß er so
ziemlich der Ichte sachkundige Kritiker in asiliet,'
lchen Tingen war. Es ist nämlich seitdem der
Begriff von «nnst verloren gegangen, deu
Müllner wenigstens festhielt.
Endlich kam ich nach Weimar uud Iclnle
in dem damals i» gcmz Teutfchlaud bekannten
Gasthofe „zum Elefanten", gleichsam drni Vor»
zunim'r ',,, Weimaro ledi'uder Wal!',al>a, ei,,.
Von da sandte ich deu «ellner ,un eiuer >la,!e
zu Goethe und ließ auflagen, ob ich ihn, anf»
war mciu Name bekannt gcwmdeu, nnd der
Geruch desselben verbreitete sich in der Stadt,
so daß es an Bekanntschaften nicht fehlte.
Gegen Abend ging ,ch zu Goetlie. Ich fand
iin 3awu eine ^'mlich große Gesellschaft, die.
des noch nicht fichtbar gewordenen >xv,,, >">'
Heimrats wartete. Da fich daruuter — uud
die sich später unter den, Rainen Talvj einen
litcrarischen Nuf gemacht hat, so verlor sich
bald meine Bangigkeit, und ich vergaß iin l'.^
spräche mit dem liebenswürdigen Madclie,! bri»
nahe, daß ich bei Goethe war. Endlich min^te
sich eine Scitentür, und — er selbst trat ein,
Schwarz gekleidet, den Oidcnsstcrn aus der
Brust, gerader, beiuahe steifer Faltung, trat er
uuter uns, wie ein Audienz gebender Monarch.
Lr sprach mit diesem und jenem ein paar
stand. Er fragte mich^ ob bei uns die- italienische
Literatur sehr betrieben werde? Ich sagte ihm,
der Wahrheit gemäß, die italienische Sprache
sei allerdings sehr verbreitet, da alle Änge
stellten fie vorschriftsmäßig erlernen müßten.
vielun'lir der englische» zn, welche bei aller
Vortrefflichkeit doch eine Beimischung von Terb>
heit habe, die für den gcgeuwäriige» /imiand
der deutschen >!nltur, vovuelnulicl, der poetischen,
mir nichts weniger als forderlich fcheiue. 51 b
ihm dicse nuiue Äußerung gefallen habe oder
nicht, taun ich nicht wissen, glaube aber fast
letzteres, da gerade damals die Zeit seines
Briefwechsels mit Lord Bhron war. Er e„t>
fernte sich vou mir, sprach mit ander,,, lau,
wieder zu mir zurück, redete, ich weiß nicht mehr
von was, entfernte sich endlich, und wir waren
eutlaffeu.
Ich gestehe, daß ich mit einer höchst nu»
angenehmen Empfindung in mein Gasthaus zu»
back to the
book Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II"
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik