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VI, Viogrllplnschcs. 443
mir täglich widerlicher wurden, indes sie mich
anfangs wenigstens historisch interessiert hatten,
'?>!,l<! c,n neuer dramatischer Stoff fand sich,
oder vielmehr ein alter, den ich wieder ans«
na>,,n- vero und Leander, Eine wunderschöne
"nan reizte niich, ihre Gestalt, wenn auch nicht
iln ^sen durch all diese Wechsclsälle durch-
5>!,!,!n^!i, Tcr etwas pretiös klingende Titel:
Tes -'.'iceres und der Liebe Wellen, sollte im
voraus auf die romantische oder vielmehr
Falnt hindeuten, M^in Interesse konzentrierte
ji^l! aus die Hanptsache, und deshalb schob
,cl! die übrigen Personen, ja gegen das Ende
selbst die Fiihrnng der Begebenheit mehr zur
^,-i>l' >il-> luüig. Aber gerade diese letzten Akte
I,abe itt, uiit der eigentlichsten Durchcmpfindnng,
ledocl, il'iedcr nur der Hauptperson, geschrieben Naß der vierte Akt die Zuseher ein wenig
langweilte, lag sogar in meiner Absicht, sollte
doch ein längerer Zeitverlust ausgedrückt werde».
Aber auch sonst ist nicht alles, wie es sein
sollte, Man kann eben nicht immer, was
Als es zur Aufführung kam (3, April 1831),
erhielte,, die drei ersten Atte begeisterten Bei-
fall, die zwei letzten gingen leer aus. Erst
nach mehreren Jahren gelang es einer be-
gabten Schauspielerin, das Ganze zu Ehren
zu bringen, ohne übrigens meine Überzeugung
von den Kompositionsfehlcrn dieser letztcrn Alte
aufzuheben.
In "Deutschland wurde es nirgends gegeben.
Erinnerungen aus dem Jahre 1848.
lulnni^jnhr 1848 niederschreiben, Na tritt denn
gleich von vornherein ein bedenklicher Unstern
scheinbar hindernd entgegen. Ich habe an jenen
Äx^bnich fremd blieb, eine mit meiner innersten
Natur verbundene Empfindung hinderte mich
sogar, den einzelnen Ereignissen Schritt für
.^Vbcn init den reinen Verhältnissen der Kunst und
^mVnschaft beschäftigt haben, überfällt gegen-
über der jede Möglichkeit einer Berichtigung
übersteigenden Verkehrtheit leicht das Gefühl
weis; nwl>l, daß der Ekel die cntncrvcndste Ttini'
nuiiig d« menschlichen Weseno ist,
'^>-r wird aber mit folchcn Stimmungen sein
Betragen rechtfertigen? Warst du mit dem vor-
märzlichen Zustande zufrieden? hast du keine
Linderung gewünscht? Glaubst du, daß der
^,Vmch nicht Hand anlegen soll, um unleidliche,
nulttowiirdige Verhältnisse zu verbessern? Alle
,i!l,,n ^latnschen auf die Umstände Rücksicht
g^nmnmen werden. Wäre der österreichische
Staat ein kompakter, von ein und demselben
Vmlsstliminc bewohnter, oder wären dieje Volls-
slamme von dem Wunsche des Zusammeugc-
hörcns und Zusammenbleibens beherrscht; wäre
ein vernünftiges Einhalten nach Erreichung vcr»
in,niliger Zwecke vorauszusetzen gewesen, ich
l'.iü.' die >?and freudig zn jedem Neformversnch
»V^ten, oder — um mir nicht zuviel Tatkraft
l','.iandichten — wenigstens jeden solchen, wei^i Landsleute unterstützt. So aber war — und
gerade damals im höchsten Grade — von alle«
zu eincni gleichen; die lächerliche NationalitätZ»
frage hatte allen Volksstämmen der österreichi»
schcn Monarchie eine zentrifngale Bewegung ein»
gedrückt; die Brandschriftcn der letzten zehn
Februarrevolution hatten eine solche Stimmung
in der Masse verbreitet, daß bei jedem gewalt-
samen Ausbruche ein Überschreiten alles vcr-
niinstigen Maßes mit Zuversicht vorausbestimmt
werden konnte.
Aber ungeachtet jener Abhaltungsgründe
mußte dem österreichischen Staate ein großer
Abwarten auf eine völlig gefahrlose Weise not-
wendig zuteil weiden, Preußen befand sich
durch frühere Versprechungen, durch die unvo»
sichtigen Ncdcübungen seines Königs, durch seine
Stellung in der Mitte der allseitigen Bewegung,
in der notgedrungenen Lage, dem, was die Zeit
begehrte, nicht länger widerstehen zu können,
hörte aber Preußen auf, ein absoluter Staat
zn sein, so mußte Österreich entweder aus dem
Zugeständnisse machen, die, so gering sie gewesen
wären, oder vielmehr gerade weil sie gering
waren, den glücklichen Anfang zu einer fort-
gemessenen Entwickelung dargeboten hätten.
',n>an sage nicht — da auch in Preußen eine
gegangen wäre — es sei lieblos, von dein
Schaden seines Nachbars Vorteil zu ziehen,
werden eine oft belobte Lcbcnsregel; anderer»
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik