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VI, Biographisches. 515
anderer, nur des Französischen mächtig, Line
englische Familie, die nur wohl gefällt. Der
Vater, ein Lebemann, zwei erwachsene Söhne,
wie junge Jagdhunde, und die Mutter noch jetzt
schön. Ein paar andere, nicht üble Frauen-
zimmer; Abendtee, Es hat geregnet und wird
nun immer kälter und kälter. Ich nehme meinen
Mantel, und da außer Regeu auch schon die
Nacht anfängt, die Gegenstände unkenntlich zu
machen, >^I,,' ich i» die «njnte, die niit Matratzen
nnd Schläfern besät ist. Krieche in mein Loch,
Fange zwei bis dreimal an, einznfchlafen, werde
aber immer wieder durch Lärm aufgeweckt,
Wache znm letztenmal aus und lami nun nicht
mehr einschlafen. Die Ausdünstung so vieler
Schlafenden war unerträglich. Endlich werden
die Kajütenfenster licht. Ich gehe aufs Verdeck,
eo ist halb vier Uhr, Tchultze ist schon da.
Die hübschesten Weiber uud Mädchen liegen in
Netten nnd Mänteln eingehüllt, kreuz und quer
auf dem Deck, Die Zimperlichsten lümmeln
herum, wie die Lastträger, Die Trmpcratin er»
träglich. Feiner Regen rieselt noch immer. Bald
zeigt sich rechts ein Streifen Land, Es ist die
belgische Küste, links Walcheren, wir laufen in
einer Sandbank spielen und sich ins Meer
stürmn, Vließingen, Holländische Fregatte,
Ein neuer Lootse an Bord gebracht, Frülmnck,
Erwartung, Endlich ei» senkrechter Ncbclstreif,
ivr 3ixn! der «atln'drale von Antwerpen, Die
Scheide verengt sich zmn Flusse, Wir find in
samt den driixn Schweden, ins Gasthaus St, An«
loine zu gehen, von welchem aus ein Aufwärtcr
ist, Waudelte durch die altertümliche Stadt,
Nur halb altdeutsch, halb vielleicht spanisch.
Wunderschön, Der Turm scheint aus der Ferne
größer, ist aber von herrlicher Arbeit. Das
Znncl!,' mit fünf fast gleichbreiten Schiffen sund
darin Notre-Tame nachsttln'no, wo das Haupt-
schiff breiter ist, durch Airweißen verdorben.
Sonst herrlich. Und was für Gemälde: Rubens'
Kreuzabnahme, gewiß das edelste Bild dieses
",'ia!«>'-, an die besten Italiener erinnernd. Die
5iimml'lsaln! '.'.'i'miä, an der die Jungfrau felbst
N i che Zachen, Die Kirche selbst durch eine
im'rtwürdiq, was sonst bei altdeutschen
nicht der Fall ist, Nach Tisch ins
, Ein vortrefflicher Quintin Messys,
vorirefsliche Sachen, Der bekannte
nsius, auf Marias Schoße liegend, von Van
D>)ck, Ausgezeichnetes von Van dev ^os! Tu'
eiiilncil'rnde Tiintellieit verbot längere Besich-
tigung, Ein wenig durch die Stadt, Das schöne
Ninliaus, durch Abbildungen bekannt. Die Stadt
scheint felir ln'l'abgekmnmen, oder ist eö dcr
'.'Il'inch >.'u,i dem lauten, riesenhaften Lmidon,
was diesen Eindrilck nnnln In drei Stunden nicht eine Kutsche gesehen. Nach Hause, Tee
getrunken, um IN Uhr zu Bette,
Samstag, den 18, Juni, Gut, aber kurz
geschlafen. Um halb vier Uhr schon wach und
der mir nicht behagt. Freilich ist anch der
hiesige Tee nicht der englische,
sagen, was da für Schätze von Gemälden zu
finden, fcheint mir unmöglich. Ein toter
Christus von Van Dhck, Rubens: der heilig,'
die Ehebrecherin, von Rubens' Lehrmeister, wo,
wie mir dünkt, Christi Charaktere besser ge-
troffen ist, als in irgend einer, andern Dar-
Stellung, die, bei all seiner Größe, Rubens ihm
nicht abgelernt hat. Eine Versuchung des hei-
ligen Antonins mit der Chiffre Albrecht Dürers,
Manier dieses Malers, Gemalte Fenster, die
ihresgleichen in der Welt nicht haben. Die
Gesälichte von Rudolf von Habsburg und dem
Priester, von Albrecht und seiner Gattin Isa-
drückcn, Maler, größer als ihr Name, und
solche, deren Name größer ist als sie, Ant-
werpen ist, außer den italienischen Städten, die
merkwürdigste in Kunstrücksicht, weil all das
weder gekauft, noch gestohlen ist, sondern hier
gewachsen.
Darauf in die Zitadelle, Die Belageruugs-
geschichte im Detail angehört. Wenn Chasss
seine Drohung erfüllt und die Kunstsachen zer-
Helden in Athen in eine Reihe stellen. Darauf
in die Franziskanerkirche, Die berühmte Geiße-
lung von Rubens, Eine Kreuztragung von
Van Tyck, nicht vollendet. Der Kopf des Er-
lösers unübertrefflich. Am .Hochaltar drei Mar-
die, nicht im Stil, aber in der Lebendigkeit des
Ausdrucks, nicht ihresgleichen hat. Nach Tisch
Zu Vrüffel im Hots! ä« 8ueä« abgestiegen,
unsern fchwedifcheu Reisebegleitern zuliebe,
Abends noch mit Schnitze die Stadt durchstreift,
Ciuige schöue Straßen. Der Park fehr ange-
nehm, Schöner botanifcher Garten, einer Privat-
gesellschaft ungehörig. Das Gebäude zweckmäßig
und schön. Früh zu Bette,
Sonntag, den 19, Juni, Gut geschlafen.
Vielleicht eine Folge des vortrefflichen Bettes,
das, weiß wie Schnee, dao Tarinlicgen zu eiucm
wirklichen Genusse machte. Um 10 Uhr zu
Reichtum von vortrefflichen Sachen, Die Be-
kanntschaft eines Malers, wie mir wenigste»?
de Crayer, von dem eine Masse ausgezeichneter
Bilder hier sind, Illibcus nicht besser als
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik