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VII, Apliurismen, 527
Ist oenn die heidnische Weltausicht nicht
N'ahr? Das ^cbeii. gibt dir nichts, Falsche
Götter herrschen drin. Nichts bleibt dir treu,
als dein Selbst, wenn dn selbst ihm treu bleibst,
(is ist das schreiendste Mißverständnis, wenn
wir die Götter der Alten niit unserm Gott ver«
gleichen, Tie Götter waren nicht das höchste^
über ihnen stand das ewige Recht, Das haben
wir personifiziert und nennen es: Gott, Nie
Götter sollten nie als Muster des Wandels
dienen, sie waren nur die Natur mit ihren
Gewalten, Das Recht war als gewiß erkannt
in dcs Menschen Brust, sein Zusammenhang m,t
einer ln'ln'll,, Qncllc ward geahndet und duntel
milirdruu'!, aber man beschick sich, daß eine
Crlenntnis davon nicht möglich,
Strenge Vollzieher des Rechtes waren die
u,Hündischen, die alten Götter, Hie hatten lein
Mitleid, aber auch keinen haß, ?cn ncuc,,
'^öücrn war beides. Sie Hatten die Rolle des
»^'Nchls Tie waren die Persölnier und Ver»
nichcr dcr Clnistcu in eincv Person,
Als ob der jüdische Monollicismus minder
euic Äbqöncrci gewesen wäre, als der griechische
pomorphitliischer Nationalabgott, als Zeus,
Pallas, ^lplnodite usw,? Vergißt ninn den»
nnnicr, daß die griechischen Gottheiten cigl'n!
lich gar keine Götter (Gott nach unsern Briivificii
gcnonimen) waren, sondern Dämonen, ^lolnin,
die luolil über die Menschen gesetzt waren und
die Erscheinungen des Luftkreiscs regierten, aber
salbst liincr einem höheren Gesetze standen, und,
selbst von ihm und seinen'Stellvertretern hervor»
gebracht worden waren. Wenn wir sie Götter
nennen, haben wir ihr Wesen schon miswcr
standen, wir sollte» sie eigentlich Nntnrgcislcr
Poraiisl'cstiininende, das, als über diese,i Tmno
neu Waltende Homers Zeus so hänfig bekennt,
das tonnen wir unserm Gott parallel setzen,
und das war offenbar etwas höheres und Wür-
digeres, als der bornierte jüdische Winkelgott,
.im >'wn gelten, ebenso vielleicht das Zeruaue
windc man vielleicht sachrichtiger mit: die
Tier gerühmte Monotheismus der Iiic'c,!
riihn vielleicht nur dcchcr, das, sie ursprünglich
ein vcrcinzclier, verachieter Stamm waren, der
sich gar nicht getraute, anzunehmen, daß nicln
als ein liimnNischcs Wesen sich sp^iell nin sie
belüninicrn sullle, C>> ist derselbe Separatis»
n,!,?, de»: sie das gau,^- Mrnsiliengeschlecht von
einem einzige» Menschenpanve herleiten ließ.
^n scuier llrsprünglichleit kommt dieser Glaube
etwa noch bei Ialob nnd sci,lcn Söhnen vor Die mosaische Ansicht ist schon eine erweiterte,
als sie ein Volk unter Vollern geworden waren.
Aber auch damals bezweifelten sie die fremden
Götter nicht, sie hielten mn ilnen Gott für den
mächtigsten und höchsten. Sie waren übrigens
eifersüchtig auf seinen Alleinbesitz, und es fiel
zn lassen. Der Monotheismus als veredelter
Fetischismus war in den urältesten Zeiten wahr»
scheinlich häufiger, als mau zu glauben go
neigt ist.
Alle Bildung geht schrittweise, Jeder
Sprung, wenn er ein wirkliches Vorwärts-
wmmcu sein soll, muß znriiclge,nacht und das
Vorwärts schrittweise noch einmal durchgemacht
werden. Siehe z, B, die Ncvolulion der neun-
ziger Jahre, Selbst das Christentum, schein-
bar der grellste Abschnitt, der unsere ganze Ge-
schichte in ein Diesseits nud Jenseits teilt,
ist keineswegs so vcrbmdnngolos, als mau
glauben soill,
freilich, wenn man die Lhristuslehre mit
dem Saturn zusammenhält, der seine Kinder
Stier wird, ist der Äbsland b.dcutend genug,
abcr 3otratcs und Plato, ^onfuzius und ^oro
astcr, das Judentum abgerechnet, licgcn als
Mittelglieder dazwischen, Oder glaubt man,
Zeit des Miltiadcs oder Tullns ^ostilius, des
Fcridun, und, wie die Leute alle heiße», eine
Ausbreitung des Christentums möglich gewesen
wäre?
Abendländische rohe Kraft in Verbindung ge»
bracht mit einer morgenländiichen spitzfindig»
nstclischen Religion: Brutalität moderiert durch
Absurdität! aus diesem Gesichtspunkte erklärt
fich das ganze Mittclalter so bis aufs kleinste,
Zeit als ein reiner Luxus erscheinen. Damit
von Gott, aber die Zeit war des Teufels,
Das Christentum ist seiner frühesten Be-
schaffenheit nach offenbar nur als Sekte berech-
net. Es hat all das Abgefchlofseiie, sich Aus-
würdige, das von jeher de» „Stillen im Lande"
eigen war, Nas Papsttum wußte aus dem ein-
fachen Grundstoffe allerdings etwas zu machen,
wodurch diese Lehre, obgleich mit Aufopferung
liebende und hassende, hoffende und fürchtende
Menschen werden konnte. Der Protestantismus
hingegen hat das Christentum als Rel igion
von, Grund aus und unwiederbringlich zerstön.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik