Page - 14 - in Josef Strauss - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Image of the Page - 14 -
Text of the Page - 14 -
Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert
14
Arrangements39 dargeboten worden sein. Josef instrumentierte Klavierwerke von Beethoven bis Chopin
und adaptierte berĂŒhmte Arien und bekannte Melodien fĂŒr Soloinstrumente mit Begleitung, dankbare
Aufgaben fĂŒr die Musiker seines eigenen Orchesters.
Die Kritik war geteilt: Man stieĂ sich am Namen âConcertâ40 fĂŒr manche dieser Veranstaltungen,
man lobte oder tadelte die QualitĂ€t der AusfĂŒhrungen. Josef Strauss lieĂ sich nicht beirren. Noch im
Dezember 1868 veranstaltete er in den âBlumen-SĂ€lenâ der Gartenbaugesellschaft eine Serie von Kon-
zerten, die jeweils nur einem Komponisten gewidmet waren. Er gab einen âBeethovenabendâ, einen
âMeyerbeerabendâ41 und einen âWagnerabendâ. Bereits Anfang 1868 hatten die StraussbrĂŒder organi-
satorische Neuerungen in den SĂ€len der Gartenbaugesellschaft eingefĂŒhrt.42 Der Plan43, eine komplette
Konzertserie mit Werken der klassischen und romantischen Orchesterliteratur in der Saison 1865/66 zu
veranstalten, wurde hingegen nicht realisiert.
Interessant und noch zu untersuchen wÀre, wie weit sich dieses weit gefÀcherte Repertoire auf Stil und
Spielweise der Strausskapelle ausgewirkt hat. Innerhalb eines einzigen Konzertes ein âTristanâ-Fragment,
einen Walzer und eine Offenbachquadrille zu spielen, bedeutet eine Herausforderung an die Konzen-
tration jedes einzelnen Musikers, der sich innerhalb weniger Minuten auf unterschiedlichste Stile und
Gattungen einstellen muss.
betÀtigungsfelder der straussKapelle
Grob vereinfacht kann man die Auftritte der StraussbrĂŒder in drei Kategorien teilen:
a) in reine Ballveranstaltungen, bei denen die Strausskapelle die Ballmusik ĂŒbernahm. Im Rahmen des
Balles wurden eine oder mehrere Widmungskompositionen vorgestellt und im Verlauf der Ballnacht
mehrfach aufgefĂŒhrt. Johann oder Josef Strauss blieb nicht die ganze Nacht prĂ€sent, oft tauchte er
nur kurz fĂŒr die UrauffĂŒhrung âseinesâ Werkes auf, das er selber dirigierte, wĂ€hrend er die Fron der
Tanzmusik, die ĂŒber mehrere Stunden ging, der Kapelle und ihrem Konzertmeister oder einem anderen
Kapellmeister ĂŒberlieĂ. Bei BĂ€llen kamen zwei Orchester zum Einsatz: Neben der Strausskapelle wurde
eine MilitÀrkapelle44 engagiert, die in einem zweiten Saal aufspielte. Sobald Eduard ebenfalls als Diri-
gent verfĂŒgbar war45, wurde die Strausskapelle geteilt, so konnten entweder gleichzeitig verschiedene
BĂ€lle bedient oder auf einem Ball in mehreren SĂ€len gespielt werden.
b) in gemischte Veranstaltungen (etwa Gartenfeste), wo vor dem eigentlichen (Sommer-) Ball ein Konzert
der Strausskapelle durchgefĂŒhrt wurde. Musste witterungsbedingt eine Freiluftveranstaltung abgesagt
39 Das sogenannte âEinziehenâ, also die Integration wichtiger Passagen von nicht besetzten Instrumenten in die vorhandenen
Stimmen, war gelebte Praxis insbesondere in den Theaterorchestern.
40 Z. B. in einem Artikel der âTheater-Zeitungâ hieĂ es: â(âŠ) unseren Walzer-Componisten genĂŒgt bei Veranstaltung ihrer mu-
sikalischen Unterhaltungen nicht mehr die Bezeichnung âReunionâ, âConversationâ, âSoirĂ©eâ, nein, âConcertâ muss das Ding
heiĂen!â (1.7.1853).
41 Bereits am 28. Oktober 1865 veranstalteten die BrĂŒder Josef und Eduard Strauss im Dianabad-Saal einen âAfrikanerin-Abendâ,
in dem sie die wichtigsten Nummern der Meyerbeer-Oper (âohne Rezitativeâ) abwechselnd mit Eigenkompositionen zu Gehör
brachten (âFremden-Blattâ, 28. Oktober 1865). In Wien wurde die Oper erst 1866 erstmals (in deutscher Sprache) gezeigt.
42 Von seinen Tourneen nach England und Frankreich brachte Johann Strauss die Idee der âPromenadenkonzerteâ mit: Ein Teil
des Blumen-Saales wurde abgetrennt, dort wurden Sesselreihen fĂŒr ein rein zuhörendes Publikum aufgestellt. Im Januar 1868
wurde das erste derartige Konzert annonciert: âBlumen-SĂ€le, 19. Januar 1868, âErstes Concert nach dem Arrangement der
englischen und französischen Promenade-Concerteââ. Diese Saalanordnung wurde als innovativ in der Presse gewĂŒrdigt, z. B.
in der âWiener Zeitungâ, 20.1.1868.
43 âGemeinde-Zeitungâ, 2. August 1865.
44 Die Aufgabengebiete von MilitĂ€rmusik und ziviler Tanzmusik ĂŒberschneiden sich hĂ€ufig. Personell sind beide eng verflochten:
Musiker traten in Regimentskapellen ein und stiegen zu MilitÀrkapellmeistern auf, nach Beendigung ihrer militÀrischen Lauf-
bahn wurden sie âzivileâ Musikdirektoren und Komponisten. MilitĂ€rkapellen spielten in Harmoniebesetzung bei Tanzveran-
staltungen auf, in groĂer Besetzung bei den diversen Sommerfesten und Freiluftkonzerten. Philipp Fahrbach wurde 1841 zum
Kapellmeister der Regimentskapelle âHoch- und Deutschmeisterâ berufen, ihm wird die EinfĂŒhrung von Streichern in die
österreichische MilitĂ€rmusik zugeschrieben. Tanz- und MilitĂ€rkapellen vereinigten sich anlassbezogen zu groĂen Klangkörpern
(etwa fĂŒr AuffĂŒhrungen von Ludwig van Beethovens âWellingtons Siegâ op. 91).
45 Eduard Strauss wurde ab 1862 regelmĂ€Ăig als weiterer Dirigent hinzugezogen. Damit wurde Josef entlastet, der durch die
hÀufigen Abwesenheiten Johanns, vor allem durch dessen Engagements in Pawlowsk, sÀmtliche Wiener Verpflichtungen zu
erfĂŒllen hatte.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Josef Strauss
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Size
- 21.4 x 30.0 cm
- Pages
- 496
Table of contents
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwÀhnt 465
- V. Bearbeitungen â AuffĂŒhrungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang