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Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert
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Arrangements39 dargeboten worden sein. Josef instrumentierte Klavierwerke von Beethoven bis Chopin
und adaptierte berühmte Arien und bekannte Melodien für Soloinstrumente mit Begleitung, dankbare
Aufgaben für die Musiker seines eigenen Orchesters.
Die Kritik war geteilt: Man stieß sich am Namen „Concert“40 für manche dieser Veranstaltungen,
man lobte oder tadelte die Qualität der Ausführungen. Josef Strauss ließ sich nicht beirren. Noch im
Dezember 1868 veranstaltete er in den „Blumen-Sälen“ der Gartenbaugesellschaft eine Serie von Kon-
zerten, die jeweils nur einem Komponisten gewidmet waren. Er gab einen „Beethovenabend“, einen
„Meyerbeerabend“41 und einen „Wagnerabend“. Bereits Anfang 1868 hatten die Straussbrüder organi-
satorische Neuerungen in den Sälen der Gartenbaugesellschaft eingeführt.42 Der Plan43, eine komplette
Konzertserie mit Werken der klassischen und romantischen Orchesterliteratur in der Saison 1865/66 zu
veranstalten, wurde hingegen nicht realisiert.
Interessant und noch zu untersuchen wäre, wie weit sich dieses weit gefächerte Repertoire auf Stil und
Spielweise der Strausskapelle ausgewirkt hat. Innerhalb eines einzigen Konzertes ein „Tristan“-Fragment,
einen Walzer und eine Offenbachquadrille zu spielen, bedeutet eine Herausforderung an die Konzen-
tration jedes einzelnen Musikers, der sich innerhalb weniger Minuten auf unterschiedlichste Stile und
Gattungen einstellen muss.
betätigungsfelder der straussKapelle
Grob vereinfacht kann man die Auftritte der Straussbrüder in drei Kategorien teilen:
a) in reine Ballveranstaltungen, bei denen die Strausskapelle die Ballmusik übernahm. Im Rahmen des
Balles wurden eine oder mehrere Widmungskompositionen vorgestellt und im Verlauf der Ballnacht
mehrfach aufgeführt. Johann oder Josef Strauss blieb nicht die ganze Nacht präsent, oft tauchte er
nur kurz für die Uraufführung „seines“ Werkes auf, das er selber dirigierte, während er die Fron der
Tanzmusik, die über mehrere Stunden ging, der Kapelle und ihrem Konzertmeister oder einem anderen
Kapellmeister überließ. Bei Bällen kamen zwei Orchester zum Einsatz: Neben der Strausskapelle wurde
eine Militärkapelle44 engagiert, die in einem zweiten Saal aufspielte. Sobald Eduard ebenfalls als Diri-
gent verfügbar war45, wurde die Strausskapelle geteilt, so konnten entweder gleichzeitig verschiedene
Bälle bedient oder auf einem Ball in mehreren Sälen gespielt werden.
b) in gemischte Veranstaltungen (etwa Gartenfeste), wo vor dem eigentlichen (Sommer-) Ball ein Konzert
der Strausskapelle durchgeführt wurde. Musste witterungsbedingt eine Freiluftveranstaltung abgesagt
39 Das sogenannte „Einziehen“, also die Integration wichtiger Passagen von nicht besetzten Instrumenten in die vorhandenen
Stimmen, war gelebte Praxis insbesondere in den Theaterorchestern.
40 Z. B. in einem Artikel der „Theater-Zeitung“ hieß es: „(…) unseren Walzer-Componisten genügt bei Veranstaltung ihrer mu-
sikalischen Unterhaltungen nicht mehr die Bezeichnung ‚Reunion‘, ‚Conversation‘, ‚Soirée‘, nein, ‚Concert‘ muss das Ding
heißen!“ (1.7.1853).
41 Bereits am 28. Oktober 1865 veranstalteten die Brüder Josef und Eduard Strauss im Dianabad-Saal einen „Afrikanerin-Abend“,
in dem sie die wichtigsten Nummern der Meyerbeer-Oper („ohne Rezitative“) abwechselnd mit Eigenkompositionen zu Gehör
brachten („Fremden-Blatt“, 28. Oktober 1865). In Wien wurde die Oper erst 1866 erstmals (in deutscher Sprache) gezeigt.
42 Von seinen Tourneen nach England und Frankreich brachte Johann Strauss die Idee der „Promenadenkonzerte“ mit: Ein Teil
des Blumen-Saales wurde abgetrennt, dort wurden Sesselreihen für ein rein zuhörendes Publikum aufgestellt. Im Januar 1868
wurde das erste derartige Konzert annonciert: „Blumen-Säle, 19. Januar 1868, ‚Erstes Concert nach dem Arrangement der
englischen und französischen Promenade-Concerte‘“. Diese Saalanordnung wurde als innovativ in der Presse gewürdigt, z. B.
in der „Wiener Zeitung“, 20.1.1868.
43 „Gemeinde-Zeitung“, 2. August 1865.
44 Die Aufgabengebiete von Militärmusik und ziviler Tanzmusik überschneiden sich häufig. Personell sind beide eng verflochten:
Musiker traten in Regimentskapellen ein und stiegen zu Militärkapellmeistern auf, nach Beendigung ihrer militärischen Lauf-
bahn wurden sie „zivile“ Musikdirektoren und Komponisten. Militärkapellen spielten in Harmoniebesetzung bei Tanzveran-
staltungen auf, in großer Besetzung bei den diversen Sommerfesten und Freiluftkonzerten. Philipp Fahrbach wurde 1841 zum
Kapellmeister der Regimentskapelle „Hoch- und Deutschmeister“ berufen, ihm wird die Einführung von Streichern in die
österreichische Militärmusik zugeschrieben. Tanz- und Militärkapellen vereinigten sich anlassbezogen zu großen Klangkörpern
(etwa für Aufführungen von Ludwig van Beethovens „Wellingtons Sieg“ op. 91).
45 Eduard Strauss wurde ab 1862 regelmäßig als weiterer Dirigent hinzugezogen. Damit wurde Josef entlastet, der durch die
häufigen Abwesenheiten Johanns, vor allem durch dessen Engagements in Pawlowsk, sämtliche Wiener Verpflichtungen zu
erfüllen hatte.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Josef Strauss
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Abmessungen
- 21.4 x 30.0 cm
- Seiten
- 496
Inhaltsverzeichnis
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwähnt 465
- V. Bearbeitungen – Aufführungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang