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FRAUEN UND FRAUENTYPEN
I
}IE Aussagen derMänner über die Weib-
lichkeit leiden an dem Nachteil, daß
sie nur eine Kenntnis aus zweiter
Hand zur Grundlage haben und keine
Unterstützung durch die Selbstbeob-
achtung erfahren. Frauen von über-
legener Urteilskraft können aus ihrer eigenen Psyche
Tatsachenmaterial schöpfen, sie können sich selbst
als Vergleich, als Beweis, als Bürgschaft benützen.
Dieses subjektive Verfahren verleiht ihren Aussagen
besonderes Gewicht. Wie „das Weib" sich im Be-
wußtsein solcher Frauen spiegelt, ist als Beitrag zur
Psychologie des Weibes auf alle Fälle maßgebend.
Freilich nur theoretisch genommen. Einen praktischen
Wert, etwa als Richtschnur und Erziehungskanon,
haben diese Aussagen schon deshalb nicht, weil die
Vertreterinnen der spezifischen Weiblichkeit unter
sich nicht einig sind, was man eigentlich darunter zu
verstehen hat.
Versucht man die Anschauungen zweier hervor-
ragender und feinerBeobachterinnen,wieLouAndreas-
Salom6 und Laura Marholm in diesem Punkte zu
vergleichen, so wird man auf völlig entgegengesetzte
Eigenheiten als Grundwesen des Weibes stoßen, ob-
wohl beide bei ihrer Auffassung der weiblichen Psyche
von physiologischen Voraussetzungen, also von schein-
bar zuverlässigen und untrüglichen Grundlagen aus-
gehen.
Während Laura Marholm, einer sehr verbreiteten
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299