Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Biographien
Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Page - 74 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 74 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3

Image of the Page - 74 -

Image of the Page - 74 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3

Text of the Page - 74 -

74 Celine Wawruschka tenden Vergesellschaftung oder auch etwas hochtrabend als soziologisches Grundgesetz bezeichnen“41. Im Sinne der Gesetzhaftigkeit forderte Hartmann auch für die Geschichtswissenschaft die „Sprache der Sozial- und Naturwissenschaften“ anstelle der „Sprache der Heiligen, die mancherorts noch den Ton angebe“42. Sowohl inhaltlich als auch formal war er vom wissenschaftlichen Reduktionismus Ernst Machs43, der Soziallehre Charles Darwins sowie vom Historischen Materialismus beeinflusst. Zu letzterem ist auch Hartmanns Vorrang des Kollektivs vor dem Individuum zu zählen, in dessen Zuge er sich auch gegen die damals in der deutschsprachigen Geschichtsforschung übliche biographische Methode verwehrte, die vornehmlich die Geschichte „großer Männer“ erzähle44. Hartmann wollte nicht nur die Personen-, sondern auch die Diplomatiegeschichte, die seiner Ansicht nach nur relativ kurzfristig relevante Ereignisgeschichte erfasse, zugunsten einer Wirtschafts- und Sozial- geschichte, die tiefere und längere Entwicklungen aufzeigt, vernachlässigen. Schließlich betrachtete er „politische Geschichte“ als „eine Funktion der Wirtschaftsgeschichte“45. Diese Absicht setzte er in seiner „Geschichte Italiens im Mittelalter“ durch, indem er sich auf die Auswertung von Privaturkunden konzentrierte – ein Schritt, der von seinem Schü- ler Ernst Stein, Byzantinist und Historiker, als „Großtat“ bewertet worden ist46. Hartmann sprach sich strikt gegen „psychologische“ Geschichtsbetrachtungen aus, wie sie etwa der Historiker Karl Lamprecht in seiner Ansicht, die Geschichte als Äußerung seelischer Zustände zu betrachten, vertrat47, und kritisierte, dass „in der Geschichtswis- senschaft, die zu ihrem Nachteile gegenüber den anderen Wissenschaften das menschliche Bewusstsein als schwere Bürde mit sich schleppt, noch durchaus der Fetischismus herrscht, 41 Ludo Moritz Hartmann, Fortschritt, in : Ders., Über historische Entwicklung. Sechs Vorträge zur Einlei- tung in eine historische Soziologie (Paderborn 1905) 61. 42 Ders., Über den Beruf unserer Zeit (Wien/Leipzig 1917) 25. 43 Ludo Moritz Hartmann widmete seine Schrift „Über historische Entwicklung“ Ernst Mach „in aufrichtiger Verehrung“, siehe Ders., Über historische Entwicklung (wie Anm. 41). Auch das Ernst-Mach-Denkmal im Wiener Stadtpark, das erst 1926 nach dem Tod Hartmanns enthüllt wurde, ging auf dessen Initiative zurück, vgl. Stadler, Wiener Kreis (wie Anm. 40) 26. 44 Günter Fellner, Materialismus und Geschichtswissenschaft. Einige Fragen erörtert anhand des Konzepts von Ludo M. Hartmann, in : Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 4 (1998) 5–11, hier 7. 45 Ludo Moritz Hartmann, Der Kampf ums Dasein, in : Ders., Über historische Entwicklung (wie Anm. 41) 30. 46 Stein, Hartmann (wie Anm. 14) 324. Auch Fellner, Materialismus (wie Anm. 44) 8, erkannte Hartmanns Werk als einen Vorgriff auf die Alltagsgeschichte und die Schule der Annales an. 47 Karl Lamprecht, Moderne Geschichtswissenschaft. Fünf Vorträge von Karl Lamprecht (Berlin 1909). Nichtsdestotrotz teilten sich Lamprecht und Hartmann einige ihrer Ansichten, wie etwa die Frage nach der Art der Geschichtsschreibung, die den Anforderungen der Gesellschaft sowie den Naturwissenschaften gerecht werden könnte, und die Vorrangigkeit der Wirtschaftsgeschichte über Politik- und Personengeschichte. Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
back to the  book Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3"
Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Title
Österreichische Historiker
Subtitle
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Volume
3
Author
Karel Hruza
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
630
Keywords
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Category
Biographien

Table of contents

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Österreichische Historiker