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222 Martina Pesditschek
terschicht, diese nicht vergiften darf“219. Weiters ist für Vorarlberg in den Augen Helboks
wohl ein Vorteil, dass es mit Tirol „jenes alpine Land Österreichs“ ist, „in welchem so gut
wie keine Berührung mit Slawen stattgefunden hat“220. Ansonsten ist aber auch dieses
Werk weitgehend ideologiefrei gehalten.
In der 1929 publizierten Abhandlung über „Die Formenlandschaften des deutschen
Bauernhauses und ihre gestaltenden Kräfte“221 wird am Schluss sogar ganz deutlich der
Umwelt größere Bedeutung als dem Menschen zuerkannt222. Der zuvor aufgestellte Satz
„Wenn eine Kulturerscheinung durch alle Perioden der Vorzeit bis in unsere Tage herein
am selben Ort sich gleichbleibt, dann ist die Natur der sie gestaltende Faktor“223 sollte
dann 1938 Matthes Ziegler als Bekenntnis „zu der Lehrmeinung, die in der ‚Umwelt‘ und
nicht im rassisch bestimmten Menschen die Kraft für den Aufbau der Kultur erblickte“224,
erbosen. Desgleichen erklärte Helbok in seinem Aufsatz „Zur Frage der germanischen
Wirtschaftskultur“ von 1930, einer seiner sophistiziertesten Arbeiten überhaupt, einen
partiellen germanischen „Kulturrückgang“ nicht etwa durch Rassenmischung, sondern als
rein umweltbedingt, das heißt als durch Umgebung (Wald) und Klimaverschlechterung
hervorgerufen225.
219 Ebd. 2.
220 Ebd. 4.
221 Ders., Die Formenlandschaften des deutschen Bauernhauses und ihre gestaltenden Kräfte, in : Württemberg.
Monatsschrift im Dienste von Volk und Heimat 1, H. 9 (September 1929) 386–405.
222 Ebd. 405 : „Der Mensch bringt große neue Linien in ein Land, aber nur dann, wenn die Natur sie duldet. Sie
will Herr im Hause sein. Zwar gestaltet nicht die Natur, sondern der Mensch die Form, indem er die Mög-
lichkeiten nutzt, die ihm die Natur darbietet. Da aber die Natur ständig gleich in ihrer Art wirkt, ist sie der
stärkere Faktor und insoferne gestaltet die Natur das menschliche Dasein. Wir stehen voll Ehrfurcht vor
der Allmacht des Schöpfers, der uns durch die Mittel der Natur lenkt. Wir bewundern die unergründliche
Weisheit, die uns an der Natur nicht zu Sklaven macht, sondern unsere Kräfte steigern und entfalten läßt.
Darin erkennen wir den tiefsten Daseinsgrund unserer Kultur !“ Wie man sieht, betätigte sich Helbok auch
dann als Oberschwätzer (Nikolaus Grass apud OBerkofler, Nikolaus Grass [wie Anm. 11] 293), wenn es
einmal nicht um völkischen Kitsch ging ; vgl. auch Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 67 : „Ich bringe hier
einige Sätze aus dem Vorwort : ‚Ich gelangte schon 1931 zur Ueberzeugung, daß nur die mittelnordeuropä-
ische Heimathypothese der Indogermanen tragbar sei.‘ Ich wage, die Sprache dieses Gelehrten in schlichtes
Deutsch zu übertragen ; dann lautet der Nachsatz : ‚daß die Heimat der Indogermanen nur in Deutschland zu
suchen ist.‘“
223 HelBok, Formenlandschaften (wie Anm. 221) 390.
224 Deutsche Volkskunde im Schrifttum. Ein Leitfaden für die Schulungs- und Erziehungsarbeit der NSDAP,
hg. v. der parteiamtlichen „Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Volkskunde“ in Verbindung mit dem Amt
Schrifttumspflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung
der NSDAP (Berlin 1938), Vorwort von Dr. Matthes Ziegler, Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft für
Deutsche Volkskunde“, 115f.
225 Adolf HelBok, Zur Frage der germanischen Wirtschaftskultur, in : VSWG 22 (1930) 257–288, hier 281,
286f.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625