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224 Martina Pesditschek
„Staatsgeschichte und Volksgeschichte“ gehalten, an dessen Ende „Volksgeschichte“ als
der „sicherste Weg der Völkerverständigung“ bezeichnet wurde231.
Zumindest keineswegs typisch (proto-)nazistisch, wenngleich schon eher typisch
„rechts“, war schließlich auch Helboks bis in seine Gymnasialzeit zurückreichende Ver-
ehrung des Staufer-Kaisers Friedrich II.232 Bereits Anfang der 1920er Jahre hatte er dem
stupor mundi einen höchst respektvollen Kurzaufsatz gewidmet233. Falls Helbok damals
Kantorowiczs berühmtes, Friedrich in Verehrung emporhebendes Buch, „das bei Himm-
ler auf dem Nachttisch lag und das Göring an Mussolini mit Widmung verschenkte“,
einmal oder so wie Adolf Hitler sogar zweimal gelesen234 haben sollte, so hat er davon
jedenfalls in seinen „Erinnerungen“ nicht Mitteilung gemacht. Hier lesen wir nur, dass er
zu Ostern 1932 eigentlich das Grab Friedrichs auf Sizilien aufzusuchen vorhatte.
4.
„Da kam ein Eilbrief von John Meier, der mich bat, sofort nach Berlin [sc. in die Atlas-
Zentrale] zu einer Disziplinaruntersuchung zu kommen. Statt nach Sizilien ging es also
nach Berlin !“235 Ein von Helbok in seinen „Erinnerungen“ niemals namentlich, sondern
immer nur „jener Mann“ oder ähnlich genannter „Beamte hatte sich schwere Eingriffe in
die wissenschaftlichen Arbeiten [sc. des Atlasses] erlaubt[,] und das Personal empörte sich
gegen ihn236. Wir haben dann in einer Woche in täglich zehnstündiger Arbeit eine gründ-
231 HelBok, Staatsgeschichte (wie Anm. 229) 18 : „Volksgeschichte ist der sicherste Weg der Völkerverstän-
digung und der natürlichste. Sie greift dem Ehrgefühl der Völker nicht in den Leib, sondern steigert dieses
und die Achtung vor der Leistung des Nachbarn. Wie soll also der Weg rotarischer Arbeit verlaufen ? Wie
Private Institute gründen, so kann uns niemand das Recht absprechen, dem Drange unserer Überzeugung zu
folgen, daß wir zur Verwirklichung unserer rotarischen Ideale daran gehen müssen, geistige Rüstkammern der
Völkerverständigung zu fördern in Form von Instituten für Volksgeschichte. Die wissenschaftlichen Leiter
derselben können dann eine internationale, rotarische Arbeitsgemeinschaft für Volksforschung bilden. Diese
wird dafür sorgen, daß hier erprobte, methodische Wege dort eingeleitet werden, daß das wissenschaftliche
Getriebe der Völker sich gegenseitig anrege und auch – kontrolliere ! Ein Bollwerk gegen Geschichtslügen
und ein wahrer Völkerbund für Volksachtung und Völkerverständigung !“
232 Ders., Erinnerungen (Bibl.) 82–84.
233 Ders., Siebenhundert Jahre Gotthardverkehr, in : Der Schwäbische Bund 2 (1920) 517–519.
234 Eckhart Grünewald, Ernst Kantorowicz und Stefan George. Beiträge zur Biographie des Historikers bis
zum Jahre 1938 und zu seinem Jugendwerk „Kaiser Friedrich der Zweite“ (Frankfurter Historische Abh. 25,
Wiesbaden 1982) 165 mit Literatur.
235 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 84.
236 Der Innominato (vgl. Schmoll, Vermessung [Bibl.] 107f. Anm. 268) war der promovierte Psychologe und
zu dieser Zeit „Technische Leiter“ des Atlas-Projektes Eduard Wildhagen (vgl. besonders HeiBer, Walter
Frank [wie Anm. 189] passim, v.a. 778–781, 786–794, 799–807, 809–814, 821–848 ; Schmoll, Vermes-
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625