Page - 271 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 271 -
Text of the Page - 271 -
Adolf Helbok (1883–1968) 271
7.
So komfortabel sich Helboks berufliche und private Situation in Leipzig um 1940 bei
einem objektiven Vergleich mit jener der allermeisten „Volksgenossen“ der damaligen
Zeit auch ausnehmen mochte, subjektiv wurde sie gewiss als verzweifelt506 empfunden,
und dieser Umstand ist seinen alten Förderern Wopfner und Steinacker auch schwerlich
verborgen geblieben. So emeritierte denn Wopfner vorzeitig aus vorgeblichen gesundheit-
lichen Gründen, was er andernfalls vielleicht (noch) nicht getan hätte, und Steinacker
schneiderte als Rektor der Universität Innsbruck aus dessen Lehrkanzel für „Österreichi-
sche Geschichte und Wirtschaftsgeschichte“ ein auf Helbok zugeschnittenes Ordinariat
für „Volkskunde“ und ein für Franz Huter507 bestimmtes Extraordinariat für „Österrei-
chische Geschichte und Wirtschaftsgeschichte“. Wopfner setzte in seiner Liste Helbok
vor Geramb und Richard Wolfram an die erste Stelle, und da Minister Bernhard Rust
mit dieser Lösung der verfahrenen Situation in Leipzig höchst einverstanden war, kehrte
Helbok mit 1. Oktober 1941 als ordentlicher Professor für Volkskunde an die nunmeh-
rige „Deutsche Alpenuniversität“ Innsbruck zurück, nachdem er dort bereits seit 1. Mai
vertretungsweise tätig gewesen war508. Helbok erstattete seinem Leipziger Dekan bemer-
kenswerterweise erst zehn Tage vor dem 1. Mai Meldung von seinem baldigen Abgang509.
Helbok hatte trotz eigenem alemannischen Lokalpatriotismus den Gauleiter Hofer aus
Opportunismus – dieser wollte „sich bemühen […], den Volkskundeatlas der SS zu ent-
ziehen und seinen Gründern zuzuführen“510 – schon bald nach dem „Anschluss“ in des-
sen Bestreben unterstützt, „Vorarlberg in Tirol einzuverleiben und das Bregenzer Archiv
nach Innsbruck zu verlegen“, während Helboks langjähriger Intimfeind511 Metz nicht
506 SchreiBer, „Ostkolonisation“ (wie Anm. 428) 201 gebraucht die Formulierungen „zunehmend isoliert“
und „entnervt“.
507 Siehe zuletzt Michael Wedekind, Franz Huter (1899–1997). „Verfügen Sie über mich, wann immer Sie im
Kampfe um die Heimat im Gedränge sind“, in : Österreichische Historiker 2 (wie Anm. 18) 591–614 mit
Literatur ; Gerhard OBerkofler, Franz Huter (1899–1997). Soldat und Historiker Tirols (Innsbruck/Wien
1999).
508 Ausführliche Darstellung bei Johler, „Volksgeschichte“ (Bibl.) 542–544.
509 Diesen Umstand nahm man dann jedenfalls als Vorwand, um Helbok von den Beratungen über seine Nach-
folge auszuschließen ; Ludwig, Rudolf Kötzschke (Bibl.) 62. In seinen „Erinnerungen“ (Bibl.) 114, 163f.
zeichnete Helbok seine Leipziger Zeit schließlich völlig wirklichkeitswidrig als einziges Idyll, d. h. so, wie er
die Entwicklung gern gehabt hätte.
510 HelBok, Erinerungen (Bibl.) 166.
511 Vgl. oben S. 207 mit Anm. 128, S. 231 mit Anm. 272, S. 254 mit Anm. 398 und FahlBusch, Wissen-
schaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik ? (wie Anm. 72) 664 Anm. 466 : „Inwieweit F. Metz’
Ressentiments gegenüber A. Helboks wissenschaftliche [sic] Qualitäten aus den Innsbrucker Kampfjahren
oder dessen schwache [sic] Teilnahme an den Tagungen der WFG [= Westdeutsche Forschungsgemeinschaft]
stammten, läßt sich nicht näher feststellen.“
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625