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278 Martina Pesditschek
heranzuziehen. 2. jemanden, der ohne solche Ämter hinter den Kulissen maßgebenden Einfluß
hatte. Ich besaß keinen solchen […]. 3. einen Forscher, der an der Gestaltung der parteiamt-
lichen Anschauungen Anteil hatte oder sie zum mindesten restlos mitmachte. Ich aber geriet
mit ihnen mehr und mehr in Konflikt : a) Ich stellte der steigend behaupteten Alleingeltung
der Rasse die Umwelt als gleichgewichtig gegenüber […] b) Ich leugnete die Alleingeltung der
Nordrasse […] und trat für die gering geschätzte dinarische Rasse ein, die bekanntlich mit ein
Grund für die glorreiche Kraft des österreichischen Soldatentums ist, das in dem Buche über
die Genialen Österreichs eine neue Auferstehung feiern wird. […] c) […] machte ich immer
wieder geltend, daß […] unsere Geschichte eine lebensmäßige Berührung mit romanischen
und slawischen Nachbarn brachte. […] mein Grund für die wissenschaftliche Arbeit war
die Heimatliebe. […] Die Liebe zur Heimat Österreich veranlaßte mich auch[,] mit meinen
Schülern in Leipzig das Genialenproblem Österreichs im Vergleiche mit dem anderer deutscher
Stämme in Angriff zu nehmen.
Ähnlich heißt es in seiner „Stellungnahme zu den Vorhaltungen“ von 1945545, dass
er zum Nationalsozialismus […] aus idealer Begeisterung gestoßen sei, aber dann gegen die
Partei gekämpft habe : ich habe dann selbst zuerst sehr schweres [sic] erlebt und habe dagegen
gekämpft. Ich glaube nicht, daß ein einziger der heute geduldeten Kollegen nur einen Teil von
dem gegen die Partei gekämpft hat wie ich. Aber von jenen Scheußlichkeiten, die heute auf-
gedeckt werden, hatte ich nie eine Ahnung. „Als Rechtfertigung seines Nichtwissens gab er
seinen Wissens- und Forschungsdrang an, der ihn davon abgehalten hätte, etwas erleben
zu können“546. Über seine beiden von ihm selbst so titulierten Hauptwerke jener Zeit […]
„Deutsche Siedlung“ 1938 und „Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende“ 1937 gibt
er an, dass sie zur Rassenfrage überhaupt nicht Stellung nähmen, und die Schrift „Deutsche
Geschichte auf rassischer Grundlage“ 1940 wurde von mir in der ostentativen Absicht verfaßt,
den durchaus konjunkturmäßigen Büchern, die über dieses Thema von Parteistellen angeregt
waren, eine wissenschaftlich haltbare Form entgegenzustellen – die Polemik gegen Rosenberg
steckt da auf jeder Seite für den Eingeweihten […]547. Es ist gewiss evident, dass es sich bei
Helboks hier auszugsweise zitierten Darlegungen um ein Amalgam von Dichtung und
Halbwahrheit, aber auch Wahrheit handelt.
Schließlich beteuerte Helbok auch noch in einem Brief vom 22. Januar 1946 an den
Verwaltungsdirektor der Universität Richard Pokorny : Die Genialenforschung ist etwas,
was man ohne [größere Mittel], mit einer Schule, also durch Dissertationen und kleinere Ar-
beiten, wunderbar kann. Deshalb würde es mich glücklich machen, alle meine Kraft dem Oe-
545 Ebenfalls UAI, PA AH (Unterstreichungen in der Quelle).
546 Meixner, „… eine wahrhaft nationale Wissenschaft der Deutschen…“ (Bibl.) 131.
547 Ebenfalls UAI, PA AH (Unterstreichungen in der Quelle).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625