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320 Gudrun Wlach
Es gelang ihm, aus wenigen Bruchstücken die Akrotere des Parthenon zu rekonstruie-
ren35. Aus dem ursprünglich für einen Katalog der Rundskulpturen geplanten Material
entstanden im Lauf der Jahrzehnte mehrere Arbeiten36.
Im Herbst 1910 kehrte Praschniker nach Wien zurück, von Oktober 1910 bis April
1912 war er Assistent von Reisch an der archäologischen Lehrkanzel der Wiener Universi-
tät. Zwei weitere Reisen nach Griechenland fallen in diese Zeit : Im Frühjahr 1911 nahm
er an der „Zweiten Wiener Universitätsreise“37 teil. Ein Aufenthalt im Athen im Sommer
1911 stellte den Beginn seiner Arbeiten an den Metopen des Parthenon dar, mit denen
er sich sein ganzes weiteres Leben beschäftigen sollte. Da die Nordostecke des Parthenon
gerade eingerüstet war, konnte er die Metopen dieser Ecke (I–III der Nordseite, XIV der
Ostseite) aus nächster Nähe studieren und zeichnen. Er fasste daraufhin den Plan, alle
noch am Tempel befindlichen Metopen zu untersuchen. Im Herbst 1912 konnte er dies
mit Hilfe einer hohen Leiter zunächst für die Ost-, dann für die Nordseite durchführen
(Abb. 15)38. Praschniker kehrte später so oft als möglich nach Athen und zu den Un-
tersuchungen am Parthenon zurück, in den folgenden Jahren hatte er allerdings andere
Aufträge durchzuführen.
Im April 1912 wurde Praschniker als Nachfolger von Heinrich Sitte39, der eine au-
ßerordentliche Professur an der Universität Innsbruck annahm, zum Sekretär des ÖAI
in Wien ernannt. Er verblieb in dieser Funktion bis zu seiner Berufung nach Prag 1923.
Im Herbst 1913 und Frühjahr 1914 arbeitete er im Auftrag der Wiener Akademie der
Wissenschaften mit dem Theologen Ernst Sellin40 bei dessen Ausgrabungen in Balata (Si-
35 Camillo Praschniker, The Acroteria, in : Arthur H. Smith, The sculptures of the Parthenon (London 1910)
68–70 ; Camillo Praschniker, Die Akroterien des Parthenon, in : ÖJh 13 (1910) 5–40.
36 Auf die Geschichte dieser Arbeiten geht Praschniker in seinem letzten Aufsatz zu diesem Thema ein : Camillo
Praschniker, Aus dem Depot des Akropolismuseums I. Athene-Gestalten, in : ÖJh 37 (1948) Beibl. 3–30.
37 Die Wiener Universität unternahm in der Zeit von 1910–1914 fünf Studienreisen, die vom Akademischen
Senat organisiert wurden. Siehe Ioanna Mylonaki, Die Reisen der Universität Wien nach Griechenland, in :
Wiener Byzantinistik und Neogräzistik. Beiträge zum Symposion Wien 2002 im Gedenken an H. Hunger, hg.
v. Wolfram Hörandner, Johannes Koder, Maria A. Stasinopoulou (Wien 2004) 315–323. Ein Bericht
dieser zweiten Reise wurde von Eugen Oberhummer herausgegeben : Eine Reise nach Griechenland. Bilder
von der zweiten Universitäts-Reise (Wien 1912) bes. 12, 63. Während der Reise erschienen auch Kurzberichte
über den jeweiligen Tagesablauf in der Wiener Presse, siehe z.B. Neue Freie Presse 13.4.1911, 8 : „Die Univer-
sitätsreise nach Griechenland. Im alten Olympia“.
38 Zu den verschiedenen Versuchen, eine einigermaßen stabile und doch leicht verschiebbare Konstruktion her-
zustellen, siehe Vorwort in : Camillo Praschniker, Parthenonstudien (Augsburg/Wien 1928).
39 Zu Heinrich Sitte (1879–1951) : Gerhard OBerkofler, Die geschichtlichen Fächer an der Philosophischen
Fakultät der Universität Innsbruck 1850–1945 (Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 6 ; Veröf-
fentlichungen der Universität Innsbruck 39, Innsbruck 1969) 198f.; Wlach, Akteure (wie Anm. 3) 125f.
40 Zu Ernst Sellin (1867–31.12.1945/1.1.1946) siehe Georg Sauer, Sellin, Ernst Franz Max, in : Biographisch-
Bibliographisches Kirchenlexikon 9 (1995) Sp. 1370–1372 ; http://www.bbkl.de/ ; Ulrich Palmer, Ernst Sel-
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625