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Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941) 433
die Schüler – ausführlich physisch, psychologisch und moralisch beschrieben wird, um
zu erklären, dass diese schönste Zivilisation dank des „Genies des nordischen Menschen“
geschaffen wurde und jeder Deutsche schicksalshaft heroisch sei. Römer und ihre Nach-
kommen dagegen wurden orientalisiert und sind nun „contaminés“ und Verführer. Dem
NS-Narrativ gemäß hätten sie mit ihren Truppen das erste Mal jüdische Händler in den
Norden gebracht.
Ein anderer Artikel beschäftigte sich mit deutschen Historikern der katholischen Op-
position in Deutschland. Sie rezensierte darin beispielsweise ein Werk des katholischen
Theologen Karl Prümm „Der christliche Glaube in der altheidnischen Welt“ 144 und kriti-
sierte dessen überaus klassifikatorische Methode. Aber sie fand auch lobende Worte : „Par
contre, l’application très suivie d’un principe très cher à tous ces érudits catholiques, mais
que l’historien devrait bien appliquer dans une mesure plus large qu’il n’a généralement
coutume de le faire (on sait que ce souci est cependant celui de M. Lucien Febvre dans les
Annales d’Histoire économique et sociale) : celui d’utiliser, pour comprendre le passé, les
expériences humaines qui s’accomplissent de nos jours et que l’on peut observer commo-
dément.“ Auch in diesem Artikel vertrat sie die These, dass es zu jener Zeit in Deutschland
eine bzw. eigentlich zwei stark politisierte Geschichtsschreibungen gebe : Eine rechtfer-
tigende offizielle und eine widerständige, weshalb sie auch letztere mit dem ihr eigenen
direkten, unverhohlenen Blick analysierte und interpretierte.
Übersetzungen
Zugleich wurde Varga eingesetzt, um Beiträge, die Bloch und Febvre in deutscher Spra-
che erhalten hatten, zu beurteilen, zu übersetzen und zu bearbeiten.145 Bloch und Febvre
wünschten sich internationale Beiträge in den Annales und suchten nach Kontakten und
guten Beiträgen (und zeigten bei der Auswahl eine kritische, der Sache zugewandte, ernst-
hafte Haltung, die aus Sicht der Network-Wissenschaftler der heutigen Zeit wohltuend
unverblümt ist). Mit der Suche nach Beiträgen aus dem Ausland stellte sich dabei das Pro-
blem der Übersetzung. Der Umgang mit dem lästigen Problem wird in der Korrespondenz
deutlich. Lange Zeit wurden Studenten für die Übersetzungen herangezogen.146 In der
Zeitschrift selbst ist der Umgang „zeitgemäß“ undurchsichtig. Der Übersetzer wird nicht
144 Karl Prümm, Der christliche Glaube und die altheidnische Welt 1–2 (Leipzig 1935). Dazu Lucie Varga,
Rezension, in : Revue de synthèse 13 (1937) 49.
145 Je pense que vous demanderez la traduction à Madame Varga (dont j’ai recu en effet une très gentille lettre). Bloch
an Febvre, 22.10.1935, in : Bloch, FeBvre, Correspondance II (wie Anm. 103) 264.
146 Je viens de recevoir un manuscrit assez court de Gunnar Mickwitz (Finlande) sur l’or dans le monde antique. Cela
me paraît fort acceptable (peut-être avec quelques éclairages de lanterne supplémentaires). Je le fais traduire par
notre étudiante Mlle Rüfenacht. Bloch an Febvre, 27.01.1934, in : Ebd. 16.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625