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576 Jiří Němec
Allein die ihm im Oktober 1942 in Berlin versprochene und am 16. Januar 1943 dem
zuständigen Reichsministerium vorgeschlagene Ernennung zum außerordentlichen Pro-
fessor wurde nicht bestätigt217. Das Hauptamt Wissenschaft der NSDAP erhob im Mai
1943 Bedenken und lies verlauten, dass er auch bei wohlwollender Prüfung […] als eine fest
im Boden der katholischen Kirche verwurzelte Persönlichkeit betrachtet werden muß, die sich
bemüht, ein Verständnis für die Bestrebungen des Nationalsozialismus und für die Aufgaben
der Geschichtsschreibung im nationalsozialistischen Deutschland zu gewinnen ; seine wissen-
schaftliche Gründlichkeit und Sauberkeit kommen ihm hierbei zu Hilfe. Es müsse noch ab-
gewartet werden, ob sich von B. in diese Aufgaben jedoch hineinfinden wird. Die Parteistelle
für Wissenschaftsbeobachtung und Wissenschaftswertung empfahl deswegen anstatt der
Ernennung zum außerordentlichen Professor zunächst eine solche zum außerplanmäßi-
gen Professor : und sobald er durch eine größere Arbeit seine Qualifikation für die Aufgabe
erwiesen hat, könne die außerordentliche Professur folgen218. Einen Monat später aber
erging an die Parteikanzlei ein weiteres Ergänzungsschreiben dieser Stelle, dessen Inhalt
durch die inzwischen eingetroffene, oben bereits zitierte, scharfe Beurteilung Heigls nega-
tiv beeinflusst wurde219. Mit der Begründung von Borodajkewycz’ mangelnder national-
„Geschichte Ungarns“. Dazu übernahm er auch die Leitung des zweiten Teils des Historischen Proseminars.
Seither war er an der Fakultät bis zu seinem letzten Prager Semester von Mittwoch bis Freitag erreichbar. Im
SS 1944 waren seine Themen wieder der Erste Weltkrieg und das Thema „Deutscher Geist und Südosteu-
ropa“. Im WS 1944/45 hielt er die Vorlesungen „Versailles“ und „Geschichte der Kroaten“ sowie Übungen
zur Geschichte des Südostens.
217 Das Datum des Vorschlags an das REM ist erwähnt im ÖStA/HHStA, AdR, BMI/GA, S. 58, Schreiben der
Partei-Kanzlei an die Gauleitung Wien vom 05.10.1944.
218 BAB, NS 15/109, Vertraulicher Bericht Dr. Erxlebens an die Partei-Kanzlei vom 08.05.1943. Erxlebens Mei-
nung war zunächst vollkommen negativ. Sie wissen, schrieb er am 03.04.1943 an Harold Steinacker (Ebd.),
daß wir […] starke Bedenken haben, da er bisher nur Arbeiten vorgelegt hat, die eine ausgesprochen katholische
Geschichtsauffassung zur Grundlage haben. Wenn nicht ein Urteil von ganz besonderem Gewicht aussagt, daß [er]
sich in der letzten Zeit innerlich stark gewandelt hat, so könnten wir unter den vorliegenden Voraussetzungen seiner
Ernennung nicht zustimmen. Steinackers Antwort vom 18.04.1943 hat dieses scharfe Urteil aber gemildert.
219 Heigl schrieb über die Berufung Borodajkewycz’ nach Prag in einem Begleitschreiben an Erxleben am
30.05.1943 (Ebd.) : Man macht damit den Bock zum Gärtner und gibt einem militanten Katholen, der dieser
Richtung und Weltanschauung immer treu bleiben wird, mag er es noch so sehr in Abrede stellen, die Möglichkeit,
den studentischen Nachwuchs in seinem, nicht unserem Sinne zu schulen. Diese Art der Besetzung freier Lehrkan-
zeln scheint mir mit nationalsozialistischen Grundsätzen ganz und gar nicht im Einklang zu stehen ; die Folgen
werden sich bald genug zeigen ! In der breiten Masse der geaichten [sic] Nationalsozialisten wird man dadurch das
Ansehen der Wissenschaft nicht heben, weil man sie wieder […] in wichtigen Partien den Gegnern nationalsozi-
alistischer Weltanschauung ausliefert. […] Ich kann mir nicht vorstellen, dass Männer wie Zatschek, Ernstberger
z.B. in Prag den „Vorschlag B.“ mitgutgeheissen haben. Gerade Zatschek kannte B. ja von Wien her gut genug.
[…] Ich höre nur immer wieder, wie erstaunt man in ns-Kreisen ist, dass just ein B. immer wieder herangezogen
wird, so z.B. bei einer Tagung der Reichstudentenführung in Augsburg im vergangenen November, auf der in seiner
Gegenwart gerade Fragen der Stellung zum Katholizismus erörtert wurden. Offenbar gelingt es B. immer wieder,
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625