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I. HAUPTSTÜCK 35
Das Neugebohrene wird in die Kammer zurückgebracht; I.I. M.M. aber blei-
ben bey dem durch den Prälaten von Neuburg7 als Erblandhofcaplan abzu-
haltenden Hochamte zugegen, nach welcher Kirchenandacht Sie in den Ze-
remoniensaal zurückkehren und dort in einem Cercle die Glückswünsche
des appartementmässigen Adels annehmen.
5. Das Versehen mit heiligen Sakramenten Sr Majestät des Kaisers und der
Kaiserinn so wie der kaiserlichen Familie geschieht in Begleitung des gan-
zen Hofstaates.
Zu diesem Akte werden 6 Augustiner und 6 Kapuziner gerufen, und alle Hof-
kapläne haben dabey zu erscheinen; sie gehen [333’] vor dem Hochwürdigs-
tene und bleiben im Vorgemache.
6. Die Leichen Ceremonie umfaßt die Excentirung [sic], Exponirung, Einseg-
nung, Übertragung des Herzens und der Ingeweiden in die Hofgruften,8 end-
lich den öffentlichen Leichenzug und die Beysetzung des Verstorbenen.9
Jede von der kaiserlichen Familie verstorbene Person wird zuerst von dem
Hofchyrurg aufgelöst und einbalsamirt; sodann von den Kammerleuten ge-
reiniget und angezogen. Der Leichnahm wird in der Kammer auf ein kleines
Schaubette gelegt, mit einigen Lichtern umstellt, sodann mit Vortragung des
Kreutzes von dem Hofburgpfarrer unter Assistenz zweyer Hofkapläne einge-
segnet. Hierauf wird der Leichnahm – nach Anordnung der Hoftrauer Ord-
nung10 – in der Hofkapelle oder Ritterstube ausgesetzt, dort auf gleiche Art
eingesegnet. Vormittags um 10 und Nachmittags um 4 Uhr wird daselbst
das Miserere abgesungen, und nach solchem von dem Hofburgpfarrer im
Beyseyn aller Hofkapläne gebethet; welches aber an dem Tage des Begräb-
nißes wegbleibt.
Das Herz und die Ingeweide werden durch 2 Kammerdiener an den Ort, wo
der Leichnahm ist, gebracht.
Vormittag am Tage der Begräbniß wird das Herz in die Hofkirchef der Au-
gustiner überbracht, und vor dem Übertragen von dem [334] Hofburgpfarrer
eingesegnet, von ihm bis zum Augustiner Gange begleitet, wo es der Prior
mit dem Konvente empfängt.
Die Ingeweide werden in die Hofgruft nach St. Stephan überführt und vor
dem Wegbringen von dem Hofburgpfarrer mit zwey Kaplänen eingeseegnet,
bis zum Wagen begleitet und daselbst aspergirt.
7 Klosterneuburg.
8 Herz: Loreto-Kapelle der Augustinerkirche; Eingeweide: Herzogsgruft des Stephansdoms.
Vgl. Vocelka, heller, Die Lebenswelt der Habsburger, S. 290.
9 Die Beisetzung erfolgte in der Kapuzinergruft. Vgl. haWlik-Van de Water, Die Kapuziner-
gruft.
10 Vgl. § 9, 2, 24.
Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Title
- Norm und Zeremoniell
- Subtitle
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Editor
- Karin Schneider
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194