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ETIQUETTE-NORMALE FÜR DEN ÖSTERREICHISCHEN KAISERHOF
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„Der Erste Obersthofmeister leistet nur dann Dienst, wenn Se Majestät der
Kaiser selbst einer Ceremonie beywohnen oder wenn er vermöge Etiquette in
gewissen Fällen als Hofkomissär ernannt ist.“ Nur in diesen Fällen erscheint
er in der Eigenschaft als Erster Obersthofmeister.
Die speciellen Dienstverrichtungen bey den verschiedenen Arten der Hoffei-
erlichkeiten sind:
1. Bey allen Gattungen von Kirchengängen, wozu kein Ordensritter er-
scheinet, macht der Erste Obersthofmeister die Begleitung Sr Majestät und
nimmt den Platz im Oratorio der allerhöchsten Herrschaften oder, wenn Se
Majestät in der Kirche erscheinen, auf dem für die Obersthofämter bestimm-
ten 1ten Platze.
2. Zum feyerlichen Gottesdienste am Gründonnerstage macht Er die gleiche
Begleitung Sr Majestät wie bey den übrigen Kirchengängen und empfängt
als Erste Person unmittelbar nach der allerhöchsten Familie das heilige
Abendmahl.
3. Zu Dankfesten, welche Se Majestät in auswärtigen Kirchen abhalten lassen
und wohin Aller-[365’]höchst Sie feyerlich erscheinen, macht der Erste Oberst-
hofmeister – nachdem er kurz vor Ankunft des allerhöchsten Hofes in dem
betreffenden Gotteshause erscheinet – den Empfang, die Begleitung zu dem
Oratorium oder zu dem Platze, welchen Se Majestät in der Kirche einneh-
men, und begibt sich in den zubereiteten Bethschämmel. Nach der geendigten
Feyerlichkeit macht er die gleiche Zurückbegleitung zum Ausgange des Beth-
hauses. Wenn Se Majestät in cognito erscheinen, ist kein Empfang und der
Obersthofmeister geht gleich bey seiner Ankunft auf den für ihn bereiteten
Platz.
4. Zur Frohnleichnamsprozession fährt er einige Zeit vor der Ankunft Sr Ma-
jestät und des allerhöchsten Hofes in die Kirche, macht den Empfang und
die Begleitung wie bey Dankfesten.
In der Prozession,ac wenn die Ordensritter nicht zugegen [sind], macht er die
Begleitung so wie bey allen Kirchengängen.
5. Dem Aniversario militari wohnt Er nicht bey.
6. Eine Taufhandlung bey Hofe verpflichtet Ihn, daß er sich im Vorgemache
des innern Appartements einfinde und zur gegebenen Stunde an der dor-
tigen Eingangsthüre von der Aja das durchlauchtigste Neugebohrne emp-
fange, mit welchem Er Sr Majestät nachfolget und sich zu des Altares rechter
Seite begiebt.
Nach den gestellten Ritualfragen stellt [366] Er der Aja das Neugebohrne zu-
rück, welche dasselbe entblößt und Ihm wieder überreicht, um Selbes über
die Taufe zu halten.
Sobald der Taufakt vorüber ist, tritt Er in den für ihn bereiteten Bethschäm-
mel, wo er dem Te Deum beywohnet.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Title
- Norm und Zeremoniell
- Subtitle
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Editor
- Karin Schneider
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194