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60 Tagebücher
Alles dieß ist nicht leicht zu erreichen, ich fühle es, aber ich werde mich
getrost an die Arbeit machen, vertrauend ein wenig auf mein gutes glück,
hauptsächlich aber auf meinen festen Willen, auf meinen unwandelbaren
entschluß, nicht mehr in mein voriges fach zurückzukehren, und lieber als
das jeden anderen Ausweg zu erreichen.
sonntags, am 17. fuhr ich nachmittag mit eduard, tauffkirchen und carl
Aretin, welche bei uns gegessen hatten, nach st. martin, wir fanden da im
Salon Arco’s Tante, Gräfin Lapérouse,1 eine gescheite alte frau, welche in
meinen vater verliebt gewesen sein muß, wenigstens sprach sie mit einem
ganz entsetzlichen enthusiasmus von dem „schönen fritz“, dann ihre toch-
ter, frau Baronin hennin, welcher ich mich ungeschickterweise, ich weiß
selbst nicht warum, nicht vorstellen ließ, so daß wir uns diese beiden tage
gegenseitig ignorirten, endlich die frau vom hause, geborene marescalchi
von Bologna, eine sehr schöne junge frau du grande monde, welche von
einer italienerin nichts an sich hat als die feurigen Blicke, mit denen sie
nicht sehr sparsam ist, und ihre liebe zu italien, welche mir auch bei ihr
den hals brach, denn da flore mit irene Arco mehrere tage bei ihr zuge-
bracht hat, bevor sie nach stepperg gingen, so kam sie mir gleich Anfangs
als einem italiener mit einer langen italienischen conversation entgegen,
welche ich denn auch soutenirte, ihr aber später versicherte, ich sei durch-
aus kein italiener, denn diese makel konnte ich mich nicht entschließen,
auf mir sitzen zu lassen, obwohl ich dieses natürlich ganz glimpflich that,
so nahm sie es mir doch übel und sagte: Ah, vous avez honte d’être italien!
und als ich sie am tage darauf, eben um klaren Wein hierüber zu erhalten,
fragte, warum sie seitdem mich nie mehr auf italienisch anspreche, antwor-
tete sie, depuis que vous n’avez dit que vous n’étiez pas italien, je n’ai plus
en te courage de le faire.
Am montag jagten wir, und dienstags nach dem frühstücke fuhren wir
ab, eduard nach neuhaus, ich über ried und haag nach Wien, der Ab-
schied von eduard, den ich unendlich schätzen und lieben gelernt habe,
wurde mir schwer. ich schlief gestern, ohne linz zu berühren, in enns und
diese nacht hier.
Wien 27. november
Wäre ich nur noch in neuhaus oder in der schweiz oder wo immer, nur
nicht in dieser langweiligen stadt!
gleich zum Willkommen hatte ich beim hereinfahren an der linie einen
langen strauß mit dem Zollpersonale, welches bei mir ungefährliche 100
1 Gräfin Maria Anna Arco war mit dem bereits 1816 verstorbenen Joseph François de la
Perouse comte de st. rhemi verheiratet.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien