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September 1840
größten Platzregen; wir wollten nun in das nächste Dorf, nach Ornavasso
zurück, um da zu übernachten, aber während der Zeit waren die Wässer
gewachsen und bedeckten an mehreren Stellen die Straße; einen Augen-
blick lang glaubten wir, auf der straße im regen übernachten zu müssen,
in der augenscheinlichsten Gefahr über Nacht weggeschwemmt zu werden;
endlich aber drangen wir mit mühe und großer eile, wo die Pferde bis an
den Bauch ins Wasser gingen, durch und kamen glücklich nach ornavasso.
hier war aber schon Alles von fuhrleuten etc. besetzt und das Wirthshaus
schon an sich miserable; wir begnügten uns daher mit einem Souper von
weichen eyern und einem Zimmer mit 2 Betten für tesair, franchet und
mich.
heute hat es den ganzen tag fortgeregnet, alle communicationen sind
unterbrochen, die Straße vor und hinter uns abgerissen; kurz kein Fort-
kommen möglich; man hat jedoch die Straße gegen Baveno zurück zur
nothdurft reparirt, und so hoffen wir morgen, wenn wir nicht weiter kön-
nen, doch zurück und aus diesem verzweifelten neste heraus zu kommen.
ob wir weiter können werden, wissen wir noch nicht, denn man hat gar
keine Nachrichten von d’Omodossola und dem Simplon; doch hoffe ich es
kaum mehr bey diesem Wetter.
heute früh hat das Wasser in der nähe von hier (in Palanzano1) ein haus
eingerissen, wobey 5 Menschen umkamen; man hat keinen Begriff von der
heftigkeit und menge dieser gebirgswässer. ein wahrer godsend für mich
unter diesen conjuncturen ist die gesellschaft der beyden jungen maler, die
sehr lustige und amicable junge leute sind und den gewissen Pariser jargon
haben que tiens lieu de bien des choses.
Auf der andern seite macht uns diese aventure wieder viel spaß und
manche unterhaltung, so z.B. das alte Paar von gestern Abend mit seinem
improvisirten sonnetto auf unsere Ankunft, heute Abend ein von mir mit
viel mühe aufgebrachter thee etc.
Arona 20. september
der conducteur, welcher gestern nachmittags auf fußsteigen nach vo-
gogna gegangen war, um den stand der sachen auszukundschaften, kam
heute früh mit der nachricht zurück, die straße nach vogogna und so auch
weiter nach domod’ossola sey nicht zu passiren, übrigens sey man mit
domod’ossola gänzlich ohne verbindung und wisse daher auch nicht, ob die
schweitzer dilligence, welche uns dort aufnehmen sollte, über den simplon
gekommen sey oder nicht; es blieb daher für uns nichts anders übrig als um-
zukehren.
1 richtig Pallanzeno.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien