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Tagebücher152
hauer, eine himmlische, ohnmächtige Psyche, eine flora, eine venus der ein
Amor einen Dorn aus dem Fuße zieht; bey van der Wer eine superbe Eva mit
der Schlange; bey Tadolini die Modelle und Statuen zu einem nach Indien
bestimmten mausoleum einer zur christlichen religion übergetretenen Be-
gum, durch ihren neveu und nachfolger, der schon seit 2 Jahren in london
lebt, hier persönlich bestellt, und dabey unter andern ein in indien gemach-
tes portrait derselben, etc.
Als wir nach 5 uhr Alles dieß gesehen hatten, flanirte ich mit cebrian
etwas auf dem corso herum, ging in mehrere boutiquen, besonders von An-
tiquairs, stein und mosaichändlern, deren es hier eine unzahl gibt, sprach
mit toni goës, der eben mit seiner mutter von neapel angekommen war, etc.
um 6 uhr speiste ich wieder mit hans k[olowrat] etc. bey der Allemagne,
ging dann nach hause und erwartete litta, der um 9 kam, mich zu ludolf
dem neapolitanischen Gesandten abzuholen; dort war eine recht amusante
kleine soirée, wo ich mich ganz behaglich fand und einer charmanten miss
rowley, der enkelin des berühmten Admirals, welcher auch da war, und die
ich beyde heute Früh im Atelier Wolfs gesprochen hatte, die Cour machte;
leider höre ich, soll sie verlobt seyn, sie ist übrigens eine ganz deliziose ma-
gnifique kleine Person.
morgen fangen die corvées der charwoche an und alle salons schließen
sich; was nun Abends anfangen? Die Zahl der angekommenen und noch an-
kommenden Fremden geht ins Unglaubliche; Torlonia allein hat eine Liste
von 500 engländern überreicht, welche zu den functionen der charwoche
zugelassen werden wollen.
[rom] 4. April Palmsonntag
Heute war die erste Function in der Charwoche; um 1/2 9 Früh fuhr ich in
die Peterskirche in voller Uniform, wo uns Litta placirte; wir, die wir vom
Papste Palmen bekommen sollten (von österreichern waren deren 12), für
20 hatte die gesandtschaft Billeten begehrt, aber die menge der anwesenden
fremden halber waren 8 davon gestrichen worden, bekamen unsere Plätze
dicht neben dem Thron des Papstes hinter den Cardinälen im Presbyterium;
das einzige unangenehme dabey war, daß wir stehen mußten; gegen 10 Uhr
wurde der Papst herum getragen, und die Palmweihe begann, worauf dann
die cardinäle, Bischöfe, geistlichkeit, römischen fürsten, etc. einzeln heran-
kamen und aus den händen des heiligen vaters die geweihten Palmen emp-
fingen; nachher kam das diplomatische Corps und wir Fremden; jeder legte
hut, degen und handschuhe ab, kniete auf den stufen des thrones nieder,
küßten [sic] den fuß des Papstes, und empfing aus seinen händen die Pal-
men. hierauf war Procession, der Papst immer auf seinem Baldachin ge-
tragen, wobey ihm ganz schwindlich und übel wird und er im vorigen Jahre
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien