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Der Weg ins Freie
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7Kapitel Langsam stieg Georg aus dem untern Schiffsraum empor, auf schmaler, teppichbelegter Treppe, zwischen langgedehnten, schiefen Spiegeln; und in einen langen, dunkelgrünen Plaid gehüllt, der nachschleppte, wandelte er unter dem Sternenhimmel auf dem menschenleeren Verdeck auf und ab. Am Steuer, bewegungslos wie immer, stand Labinski, drehte das Rad und hatte den Blick zum offenen Meer gerichtet. Welche Karriere! dachte Georg. Zuerst Toter, dann Minister, dann ein kleiner Bub mit einem Muff und heute schon ein Steuermann. Wenn er wüßte, daß ich auf diesem Schiff bin, so würde er sicher appellieren. »Geben Sie acht«, sagten hinter Georg die zwei blauen Mädeln, die er vom Seeufer her kannte; aber schon stürzte er hin, verwickelte sich in den Plaid und hörte den Flügelschlag weißer Möven über seinem Haupt. Gleich darauf saß er unten im Salon an der Tafel, die so lang war, daß die Leute am Ende ganz klein aussahen. Ein Herr neben ihm, der dem alten Grillparzer ähnlich sah, bemerkte ärgerlich: »Immer hat dieses Schiff Verspätung, schon längst sollten wir in Boston sein.« Nun bekam Georg große Angst; denn wenn er beim Aussteigen die drei Partituren im grünen Einband nicht vorweisen konnte, so wurde er unbedingt wegen Hochverrats verhaftet. Darum sah ihn auch der Prinz, der den ganzen Tag auf dem Verdeck mit dem Rad hin und herraste, manchesmal so sonderbar von der Seite an. Und um den Verdacht noch zu steigern, mußte er an der Tafel in Hemdärmeln dasitzen, während sämtliche Herren, wie immer auf Schiffen, Generalsuniformen und alle Damen rote Samttoiletten trugen. »Gleich sind wir in Amerika«, sagte ein heiserer Steward, der Spargel verteilte, »nur noch eine Station.« Die andern können ruhig sitzen bleiben, dachte Georg, die haben nichts zu tun, ich aber muß gleich ins Theater schwimmen. Und in dem großen Spiegel ihm gegenüber erschien die Küste: lauter Häuser ohne Dächer, die terrassenartig immer höher hinaufstiegen; und ganz oben in einem weißen Kiosk mit durchbrochener Steinkuppel, ungeduldig, wartete die Musikkapelle. Die Glocke auf dem Verdeck ertönte, und Georg stolperte mit seinem grünen Plaid und zwei Handtaschen die Treppe hinauf zum Garten. Aber man hatte den unrichtigen hertransportiert; es war nämlich der Stadtpark; auf einer Bank saß Felician, neben ihm eine alte Dame in einer Mantille, legte die Finger an die Lippen, pfiff sehr laut, und mit außergewöhnlich tiefer Stimme sagte Felician: »Kemmelbach – Ybs.« Nein, dachte Georg, solch ein Wort nimmt Felician nicht in den Mund… rieb sich die Augen und erwachte. 212
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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