Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Page - 125 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 125 - in Der Weg ins Freie

Image of the Page - 125 -

Image of the Page - 125 - in Der Weg ins Freie

Text of the Page - 125 -

5Kapitel Georg öffnete ganz leise die Türe zu Annas Zimmer. Sie lag noch schlafend im Bette und atmete tief und ruhig. Er begab sich aus dem leicht verdunkelten Raum wieder in sein Zimmer zurück und schloß die Türe. Dann trat er ans geöffnete Fenster und schaute hinaus. Über dem Wasser schwebte sonnenschimmernder Nebel. Die Berge drüben, mit reingezogenen Linien, schwammen in Himmelsglanz, und über den Gärten und Häusern von Lugano flimmerte das hellste Blau. Georg war wieder ganz beseligt, diese Junimorgenluft einzuatmen, die vom See die feuchte Frische und von den Platanen, Magnolien und Rosen im Hotelpark den Duft zu ihm emportrug; diese Landschaft anzuschauen, deren Frühlingsfriede ihn nun seit drei Wochen jeden Morgen wie ein neues Glück begrüßte. Rasch trank er seinen Tee aus, lief die Treppe so schnell und erwartungsvoll hinab, wie er einst als Knabe zum Spiel geeilt war, und im grauen Dufte der Frühschatten schlug er den gewohnten Weg längs des Ufers ein. Hier gedachte er seiner einsamen Morgenspaziergänge in Palermo und Taormina im vergangenen Frühjahr, die er oft auf viele Stunden ausgedehnt hatte, da Grace gern bis Mittag mit offenen Augen im Bett lag. Fast umdüstert erschien ihm in der Erinnerung jene Zeit seines Lebens, über der ein naher Abschied, wenn auch manchmal herbeigewünscht, doch wie eine trübe Wolke gelastet hatte. Diesmal schien ihm alles Schmerzliche in weiter Ferne zu liegen, und jedenfalls war es in seiner Macht, ein Ende, wenn es nicht vom Schicksal selber kam, so weit hinauszuschieben, als er wollte. Anfang März war er mit Anna aus Wien abgereist, da ihr Zustand kaum länger zu verbergen war. Doch schon im Januar hatte sich Georg entschlossen, mit ihrer Mutter zu sprechen. Er hatte sich einigermaßen vorbereitet, und so vermochte er seine Mitteilungen in ruhigen und wohlgesetzten Worten vorzubringen. Die Mutter hörte still zu, und ihre Augen wurden groß und feucht. Anna saß auf dem Diwan mit befangenem Lächeln und betrachtete Georg, während er sprach, mit einer Art von Neugier. Der Plan für die folgenden Monate war entworfen. Bis zum Frühsommer wollte Georg sich mit Anna im Auslande aufhalten, dann sollte in der Umgebung von Wien ein Landhaus gemietet werden, so daß in der schwersten Zeit die Mutter nicht fern wäre und das Kind ohne Schwierigkeiten in der Nähe der Stadt in Pflege gegeben werden konnte. Auch eine Erklärung von Annas Abreise und Fernbleiben für unberufene Neugierige war ausgedacht. Da ihre 125
back to the  book Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie